Falaysia - Fremde Welt - Band III: Piladoma (German Edition)
einschloss und in dessen Mitte das Runenzeichen Uruz zu finden war, die Mutter des Gestaltens, des Wissens und der Weisheit der Erde.
Unter dem Zeichen, das eindeutig vorgedruckt war, hatte jemand einen Brief in dieser fremden Sprache geschrieben, die ihre Mutter ihr hatte beibringen wollen. Doch es fanden sich auch ein paar Worte darunter, die aus einer anderen Sprache stammten. Spanisch, wenn Melina sich nicht irrte. Abuná stand dort und in dem Satz danach Pando und Bolivia . Südamerika? Was hatte Demeon dort gemacht? War er überhaupt dort gewesen? Da waren noch Namen … Lucia de los Angeles und Timothy Barnes. Sie sagten ihr nichts, doch wusste sie, dass auch diese ungemein wichtig waren.
Melina schüttelte den Kopf und legte den Brief auf den Stapel von Dokumenten, die sie sich bereits angesehen hatte. Er war nicht der einzige dieser Art. In einer Art Pappordner befanden sich noch mindestens zwanzig weitere Briefe – alle mit demselben Zeichen in der Kopfzeile, teilweise auch mit Schreibmaschine geschrieben. Melina fühlte sich derweil äußerst unwohl in ihrer Haut, denn ihr wurde langsam klar, dass sie Demeon nie richtig gekannt hatte, dass er neben dem Leben, das er ihr vorgemacht hatte, noch mehrere andere geführt hatte und nur eines davon, war in der Tat das seine. Nur eines beschrieb, wer er wirklich war. Leider war es bei der Masse an falschen Identitäten ziemlich schwer dies herauszufinden. Es sah ganz danach aus, als hätte Demeon für eine geheime Organisation gearbeitet … wie eine Art Agent. Die Frage war, um was für eine Organisation es sich handelte, was diese Menschen taten. Waren sie Verbrecher oder lag ihre Aufgabe darin, die Gesellschaft, in der sie lebten, zu schützen?
Ein weiterer Gedanke machte sich in ihrem Verstand breit; einer, der ihr die Brust zusammenschnürte und es ihr erschwerte, weiterhin ruhig zu atmen. Was war, wenn Demeon in Wirklichkeit zu den Garong oder Taleron gehörte, wenn er sie gar nicht zufällig kennengelernt hatte? Was war, wenn sie einer seiner Aufträge gewesen war – sie und alles andere, was danach geschehen war?
Melina zuckte heftig zusammen, als das Telefon in ihrer Manteltasche laut losschrillte. Sie schloss kurz die Augen, um ihren rasenden Herzschlag wieder unter Kontrolle zu bekommen und holte das kleine Gerät dann mit zittrigen Fingern heraus. Benjamin stand auf dem Display. Sie runzelte die Stirn und warf einen flüchtigen Blick auf die Standuhr. Fast Mitternacht. Warum rief er sie so spät noch an? Konnte er mal wieder nicht schlafen? Es war ja nicht das erste Mal, dass er dies tat – nur war es ihr noch nie ungelegener gekommen. Sie konnte da jetzt nicht rangehen, war zu aufgewühlt. Und es würde garantiert kein kurzes Gespräch werden.
Sie schaltete ihr Handy kurzerhand auf stumm und steckte es wieder weg. Ihr Neffe würde es überleben, mal keine Antworten auf all seine Fragen zu bekommen. Es gab augenblicklich Wichtigeres, um das sie sich kümmern musste. Eigentlich hatte sie noch nicht einmal Zeit, sich weiter Gedanken über Demeon und seine ‚Arbeit‘ zu machen. Das konnte sie auch noch tun, wenn sie zurück auf ihrem Zimmer war.
Melina griff in ihre andere Manteltasche, zückte ihren Fotoapparat und begann die Dokumente der Reihe nach zu fotografieren. So viele Informationen zu sammeln wie möglich – das war zurzeit das Allerwichtigste. Dann brauchte sie nie wieder hierher zurückzukommen. Schließlich war das, was sie tat, alles andere als ungefährlich.
Das Handy in ihrer Tasche begann erneut zu vibrieren. Der Junge war heute ziemlich hartnäckig. Er würde sicher böse sein, dass sie ihn so ignorierte und, was noch schlimmer war, sie löchern, warum sie nicht erreichbar gewesen war. Sie würde ihn nicht belügen. Das lag ihr einfach nicht und sie wollte auf keinen Fall das Vertrauen, das er in den letzten Monaten zu ihr aufgebaut hatte, wieder zerstören. Das hieß allerdings auch, dass es schon wieder einen Streit zwischen ihnen geben würde. Womöglich sogar einen richtig großen, weil sie ihn dieses Mal nicht in ihre Nachforschungen eingebunden hatte. Zu ändern war das nicht und im Endeffekt zählte nur das Ergebnis, und dass sie der Rettung Jennas und Leons aus Falaysia eventuell ein gutes Stück näher gekommen waren.
Es dauerte in Melinas Augen bereits viel zu lange, bis sie alles fotografiert hatte, doch noch viel mehr Zeit kostete es sie, sich zu überlegen, was sie mit den Videokassetten machen sollte. Sie war
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