Falaysia - Fremde Welt - Band III: Piladoma (German Edition)
Sie wollte sie auf keinen Fall verängstigen.
Kychona musterte sie von weitem, nun sehr viel genauer als zuvor.
„Ich habe die Energie sofort gespürt, aber ich dachte, sie kommt allein von dir“, kam es ihr schließlich sehr leise über die Lippen. „Ich hätte ahnen müssen, was in Wahrheit dahinter steckt, schließlich gibt es nur so wenige Kreaturen, die eine solch starke magische Aura von ganz allein besitzen.“
Sie kam wieder näher, ihren Blick nun auf Jennas Gesicht geheftet. „Wie bist du an das Amulett herangekommen? Es liegt schon so lange in der Schatzkammer des trachischen Königshauses.“
„Das ist eine ziemlich lange und sehr komplizierte Geschichte.“
„Kompliziert ist etwas nur, wenn man nicht darüber redet und sich nicht helfen lässt“, erwiderte Kychona. „Du machst eher den Eindruck, als wärst du intelligent genug, dich gegen keines von beidem zu wehren.“
Jenna seufzte tief. „Das ist wohl wahr. Ich weiß nur nicht, wo ich anfangen soll.“
„Vielleicht am Anfang?“ schlug Kychona mit einem kleinen Lächeln vor und ließ sich erneut auf das Fell vor Jenna nieder.
Die Frage war nur, wo der Anfang war und ob sie der alten Frau wahrlich so weit vertrauen konnte, dass sie ihr alles – wirklich alles – erzählen durfte. Sie hatte so viel über die Zauberin gelesen … eigentlich nur Gutes. Kychona hatte immer auf der Seite der Schwachen und Gequälten gestanden, hatte im Gegensatz zu vielen anderen Zauberern nie nach Reichtum und Macht gestrebt, sondern ihre Kräfte und ihre jeweilige Position in der Politik dafür eingesetzt, für Frieden und Gerechtigkeit zu sorgen. Sie selbst war eine der wenigen gewesen, die die Bruchstücke des magischen Steins aktivieren und nutzen konnte und sie hatte den Zirkel der Magier neu aufgebaut und darauf ausgerichtet, Gutes zu tun – bis er dann wieder zerschlagen worden war. Ihre Magie war immer rein und weiß gewesen. Nur deswegen hatten Jenna und Leon sich dazu entschlossen, diese Zauberin zu suchen und um Rat und Hilfe zu fragen. Warum sollte sie ihr nun nicht die ganze Wahrheit erzählen?
Jenna räusperte sich und holte tief Luft. „Ich … ich komme nicht von hier“, begann sie und dieses Mal blieb Kychona völlig ruhig, so als wüsste sie darüber bereits Bescheid. Also fuhr Jenna beherzt fort.
„Ein Zauberer namens Demeon hat mich durch ein Tor zwischen dieser und unserer Welt hierher gebracht und ich weiß bis heute nicht warum …“
Es war nicht schwer, Kychona das Herz auszuschütten, obwohl sie eine für Jenna völlig fremde Frau war. Ihr wacher Blick, das warme Mitgefühl, das ihr entgegenströmte, und die Ruhe, die die kleine, alte Frau ausstrahlte, ließen alles, was sie wusste und was sie bisher erlebt hatte, hemmungslos aus ihr heraussprudeln. Selbst wenn sie es gewollt hätte, hätte Jenna nicht aufhören können, sich ihre ganzen Sorgen und die Last ihres ungewollten Schicksals von der Seele zu reden. Es tat so furchtbar gut, ließ sie selbst endlich einmal wieder zur Ruhe kommen.
Als Jenna ihre Geschichte beendet hatte, schwieg Kychona ein paar Sekunden lang. Ihr tief nachdenklicher Blick ruhte auf Jennas Gesicht und auf ihrer vom Alter zerfurchten Stirn fanden sich ein paar weitere Falten ein. Dann holte sie auf einmal hörbar Luft.
„Ich habe schon seit ein paar Monaten eine gewisse Unruhe gespürt“, sagte sie leise. „Nicht nur unter den Menschen, sondern auch unter den Tieren und Pflanzen. Das Energiefeld dieser Welt bewegt sich, verändert sich stärker als sonst. Es bringt alle Lebewesen durcheinander und ich weiß, was das bedeutet. Ich wollte es nur nicht wahrhaben.“
Jenna blinzelte verwirrt. Noch konnte sie mit diesen Informationen nichts anfangen.
„Die Verbindung zwischen den Welten ist aktiver als sonst“, fuhr Kychona fort. „Sie öffnet den Zugang zu dieser Welt häufiger. Nur für eine kurze Zeit und immer an anderen Orten, sodass niemand etwas davon mitbekommt. Deswegen ist es gelungen, dich hierher zu bringen. Das bedeutet aber auch, dass noch andere die Gelegenheit haben werden, in diese Welt einzudringen, wenn sie den richtigen Zeitpunkt abpassen und sich auf das Risiko einlassen, dabei ihr Leben zu verlieren. Ohne das Tor sind die Zugänge sehr instabil und wenn sie sich schließen, bevor man sie vollständig durchschritten hat …“
Kychona sprach nicht weiter. Das war auch nicht notwendig, denn Jenna konnte sich gut vorstellen, wie ein solches Unglück für den Reisenden
Weitere Kostenlose Bücher