Falaysia - Fremde Welt - Band III: Piladoma (German Edition)
Genug Zeit, um ins Lager zu gehen und nachzusehen, wie es Marek ging und dann erst ins Schloss zu kommen. Aber warum hätte sie das tun sollen? Marek war genauso ihr Feind wie er der seine war … Oder etwa nicht?
Leon wurde ganz anders zumute. Was war, wenn er gar nicht ungerechtfertigt an ihrer Loyalität ihm gegenüber gezweifelt hatte? Was war, wenn sie Marek auf einmal mochte oder gar mehr für ihn empfand? Er wollte das nicht denken, aber … möglicherweise hatte sie sich Sorgen um ihn gemacht, hatte ihm sogar helfen wollen. Und wenn sie es getan hatte? Wenn sie ihm tatsächlich geholfen hatte? Mit der Macht des Steins war bestimmt auch so etwas möglich und dann … dann irrten sich vielleicht alle und Renon lief den Bakitarern direkt in die Falle. Das würde so zu Marek passen!
In Leons Brust wurde es ganz eng. Nun war er noch kribbeliger als zuvor. Er musste Jenna unbedingt finden und aus ihr herausbekommen, was mit Marek nach dem Kampf geschehen war. Und wenn er Recht hatte, dann mussten sie sofort losreiten, um König Renon zu warnen und davon abzuhalten, einen tödlichen Fehler zu begehen.
Leon zuckte heftig zusammen, als plötzlich ein kleines, schmutziges Gesicht direkt vor dem Fenster erschien und er in ein Paar hellblauer Augen starrte – Augen, die ihm auf ziemlich schreckliche Weise sehr vertraut vorkamen. Dann war das Gesicht auch schon wieder verschwunden. Leon sprang dennoch entsetzt auf und starrte hinaus in die Dunkelheit. War er langsam am Durchdrehen und einer Halluzination aufgesessen? Nein. Dort bewegte sich etwas in der Dunkelheit, also war das gerade eben keine Wahnvorstellung gewesen. Die Person existierte wahrhaftig.
Leon wusste nicht genau, welcher Teufel ihn ritt, doch er eilte zur Tür des Wirtshauses, riss diese auf und stürmte hinaus. Er brauchte nicht lang, um das Persönchen auszumachen, das ihm einen solchen Schrecken eingejagt hatte. Es hatte sich nicht weit von ihm entfernt unter einen Baum gehockt, um dort eine Katze zu streicheln, und schien ihn gar nicht wahrzunehmen. Es war ein Kind von maximal fünf Jahren, mit dunklem, lockigem Haar. Leon schluckte schwer. Das konnte nicht sein … konnte nicht …
Eilige Schritte hinter ihm ließen ihn stehenbleiben und sich umdrehen. Doch er war nicht schnell genug und völlig unvorbereitet für das, was kam. Er nahm nur die Umrisse zweier dunkler Gestalten mit Kapuzenmänteln wahr, dann traf ihn schon ein harter Gegenstand mit voller Wucht an der Schläfe und es wurde dunkel um ihn herum.
K ychona
E s war warm in der Hütte des alten Mannes. Ein kleines Feuer brannte in deren Mitte und überall hingen oder lagen die verschiedensten Tierfelle herum. In einem Bereich des runden Raumes war eine Art Altar vorzufinden, den, neben reichlich Blumen, halb abgebrannten Kerzen und Früchten des Waldes, die faustgroße Holzfigur eines Bären schmückte. Als Jenna genauer hinsah, stellte sie fest, dass es gar kein richtiger Bär war, sondern eine Mischung aus Bär und Mensch – wahrscheinlich ein Gott, den dieser Stamm verehrte und anbetete.
Ganz in der Nähe dieses Altars befand sich ein zum Tisch zurechtgehauener Baumstumpf, auf dem einige merkwürdige Utensilien zu finden waren: Kleine Knochen, Kräuter, Runen … Fläschchen mit bunten Flüssigkeiten; Holzschalen, in denen Salben und Pulver aufbewahrt wurden, und vieles mehr.
Jenna benötigte nicht viel Zeit, um zu verstehen, wo sie sich befand und wen sie bisher so unerkannt die ganze Zeit vor sich gehabt hatte: Der zerbrechlich aussehende alte ‚Mann‘ war ein Zauberer – oder besser gesagt eine Zauber in . Er war Kychona, die Frau, die sie so lange gesucht hatten! Jenna war sich so sicher, fühlte es tief in ihrer Brust. Jetzt nahm sie auch wahr, dass das Gewand, das die gebrechliche Person trug, ein Kleid war, genäht aus simplem Leinen und verziert mit ein paar Fellen. Natürlich fehlten der alten Frau nach all den Jahren die typisch weiblichen Merkmale wie runde Hüften und ein sichtbarer Busen, doch ihr Gesicht war trotz der vielen Falten nicht unbedingt als männlich einzustufen, war es doch ungleich zarter und kleiner. Wie hatte ihr das zuvor entgehen können? Jenna schämte sich fast für ihre Fehleinschätzung.
Ihr Herz klopfte sofort schneller und sie beleckte sich aufgeregt die schon trocken gewordenen Lippen. Was sollte sie sagen? Wie sollte sie das Gespräch beginnen?
„Setz dich dort auf den Hocker“, nahm Kychona ihr den schweren Einstieg ab und
Weitere Kostenlose Bücher