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Falken: Roman (German Edition)

Falken: Roman (German Edition)

Titel: Falken: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Mantel
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dahinterstecken, denn Gott kennt sein Geschäft. Der Vorschlag, eine Einkommensteuer zu zahlen, um den Arbeitsscheuen Brot in die Mäuler zu stopfen, empört die Reichen und Unternehmungsfreudigen. Und wenn Sekretär Cromwell argumentiert, dass Hunger Kriminalität hervorruft: Gibt es nicht genug Henker?
    Der König selbst kommt ins Unterhaus, um für das Gesetz zu werben. Er will der geliebte Henry sein, der Vater seines Volkes, der gute Hirte. Aber die Mitglieder des Unterhauses sitzen wie versteinert auf ihren Bänken und starren ihn an. Das Scheitern des Versuches ist allumfassend. »Am Ende wurde ein Gesetz für das Auspeitschen von Bettlern daraus«, sagt Richard Riche. »Der Anlauf hat den Armen mehr geschadet als geholfen.«
    »Vielleicht können wir den Vorschlag noch einmal einbringen«, sagt Henry. »In einem besseren Jahr. Verlieren Sie nicht den Mut, Master Sekretär.«
    Es wird also bessere Jahre geben? Er wird nicht aufgeben, wird es durchmogeln, wenn sie gerade nicht aufpassen, wird erst im Oberhaus ansetzen, um den Widerstand zu brechen … Es gibt immer Wege, etwas durchzusetzen, dennoch wünscht er mitunter, er könnte die Parlamentarier zurück in ihre Grafschaften jagen, weil es ohne sie schneller ginge. Er sagt: »Wenn ich König wäre, würde ich nicht so ruhig reagieren. Ich würde sie zittern lassen.«
    Richard Riche ist der Mr   Speaker dieses Parlaments. Er sagt nervös: »Machen Sie den König nicht wütend, Sir. Sie wissen doch, was More immer gesagt hat: ›Wenn der Löwe um seine Stärke wüsste, wäre es schwer, ihn zu beherrschen.‹«
    »Danke«, sagt er. »Das tröstet mich ungemein, Sir Purse, ein Satz aus dem Grab des bluttriefenden Heuchlers. Hat er noch etwas zur Situation zu sagen? Wenn ja, werde ich seiner Tochter seinen Kopf wieder abnehmen und ihn kreuz und quer durch Whitehall treten, bis er endgültig den Mund hält.« Er bricht in Lachen aus. »Die Unterhäusler. Möge Gott sie verrotten lassen. Ihre Köpfe sind hohl. Sie denken nicht weiter als bis zu ihren Taschen.«
    Und während sich die Männer im Parlament Sorgen um ihr Einkommen machen, ist er mit dem seinen hochzufrieden. Wenn die kleineren Klöster auch alle aufgelöst werden sollen, gibt es doch Ausnahmen, und wer eine werden will, kommt zu ihm und bringt eine Gebühr oder Rente mit. Im Übrigen will der König all die Ländereien nicht selbst behalten, sondern verpachtet sie, und so treffen immer weitere Anträge bei ihm ein, für diesen Ort oder jenen, Herrenhäuser, Gutshöfe, Ackerland. Jeder Antragsteller bietet ihm etwas Kleines an, eine einmalige oder jährliche Zahlung, die später einmal auf Gregory übergehen kann. So sind schon immer Geschäfte gemacht worden, so sichert man sich Aufmerksamkeit, mit Gefälligkeiten, versüßenden Zahlungen, der frühzeitigen Übertragung von Geldmitteln oder dem Versprechen einer Beteiligung an kommenden Einkünften: Im Moment gibt es so viele Geschäfte, so viele Transaktionen, so viele Angebote, die er kaum mit Anstand zurückweisen kann. Kein Mann in England arbeitet härter als er. Was immer man über Thomas Cromwell sagen mag, er bietet eine gute Gegenleistung für das, was er nimmt. Und er ist immer bereit, mit einem Darlehen auszuhelfen: William Fitzwilliam, Sir Nicholas Carew, dem alternden, einäugigen, verkommenen Francis Bryan.
    Er lädt Sir Francis ein und macht ihn betrunken. Er, Cromwell, kann sich vertrauen. Als junger Kerl schon hat er mit den Deutschen trinken gelernt. Es ist jetzt mehr als ein Jahr her, dass Francis Bryan mit George Boleyn in Streit lag: weswegen, weiß Francis kaum mehr, doch der Groll bleibt, und bis ihm die Beine ihren Dienst versagen, kann er die blumigeren Teile des Streits wunderbar vorführen, steht auf und wedelt mit den Armen. Über Cousine Anne sagt er: »Man will doch wissen, woran man mit einer Frau ist. Ist sie eine Metze oder eine Lady? Anne will wie die Jungfrau Maria behandelt werden, aber sie will auch, dass du dein Geld auf den Tisch legst, die Sache hinter dich bringst und verschwindest.«
    Sir Francis ist zwischendurch auch immer wieder fromm, wie es für hervorragende Sünder typisch ist. Die Fastenzeit ist da: »Es ist an der Zeit, sich in den jährlichen Bußerausch hineinzusteigern, oder?«
    Francis schiebt die Klappe von seinem blinden Auge und reibt sich das vernarbte Gewebe. Es juckt, erklärt er. »Natürlich«, sagt er. »Wyatt hat sie gehabt.«
    Er, Cromwell, wartet.
    Aber dann legt Francis den Kopf auf

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