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Falken: Roman (German Edition)

Falken: Roman (German Edition)

Titel: Falken: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Mantel
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auf meine Ehre, wenn ich …? Cromwell, würde es meine Feinde nicht verwirren, wenn …?« Und all das sind die Ideen, die du ihm letzte Woche unterbreitet hast. Was soll’s? Du willst nicht damit glänzen. Du willst, dass etwas geschieht.
    Diese Ratschläge sind nicht nötig. Rafe hat sein ganzes Leben für diese Situation gelernt. Er ist ein schmächtiger Kerl, kein Athlet, er könnte niemals an einem Lanzenstechen oder Turnier teilnehmen, eine unvermutete Brise würde genügen, ihn aus dem Sattel zu heben. Aber damit kann er umgehen. Er weiß zu beobachten. Er weiß zuzuhören. Er weiß eine Nachricht zu verschlüsseln oder sie so geheim zu übermitteln, dass es sie gar nicht zu geben scheint. Eine Information, so solide, dass ihre Bedeutung in die Erde geschrieben scheint, und doch so flüchtig wie von Engelshand aufgesetzt. Rafe kennt seinen Master. Henry ist sein Master. Aber Cromwell ist sein Vater und sein Freund.
    Du kannst fröhlich sein mit dem König, du kannst mit ihm scherzen, doch wie Thomas More zu sagen pflegte: Es ist wie das Spiel mit einem gezähmten Löwen. Du fährst ihm durch die Mähne, du ziehst an seinen Ohren, und die ganze Zeit denkst du: diese Krallen, diese Krallen, diese Krallen.
    In Henrys neuer Kirche ist die Fastenzeit so rau und kalt, wie sie unter dem Papst nicht rauer und kälter war. Ärmliche, fleischlose Tage zehren an der Laune eines Mannes. Als Henry von Jane spricht, blinzelt er, und Tränen schießen ihm in die Augen. »Ihre kleinen Hände, Crumb. Ihre Kinderpfötchen. Sie trägt kein Arg in sich und sagt nie etwas. Und wenn doch, muss ich den Kopf vorbeugen, um es zu verstehen. Und zwischendurch höre ich mein Herz. Ihre kleinen Stickereien, die Stücke Seide, ihre kurzen wunderbar blauen Ärmel aus einem Stoff, den ihr ein Bewunderer verehrt hat, irgendein armer Bursche, der unsterblich verliebt in sie war … und doch hat sie nie nachgegeben. Ihre kleinen Ärmel, das Staubperlenhalsband … Sie hat nichts … sie erwartet nichts …« Endlich stiehlt sich eine Träne aus Henrys Auge, mäandert über seine Wange und verschwindet im graugesprenkelten Kupferrot seines Bartes.
    Hör nur, wie er von Jane spricht: so einfach, so scheu. Selbst Erzbischof Cranmer muss das Porträt erkennen, die Umkehrung der gegenwärtigen Königin. Alle Reichtümer der neuen Welt würden sie nicht befriedigen, während Jane schon für ein Lächeln dankbar ist.
    Ich werde Jane einen Brief schreiben, sagt Henry. Ich werde ihr einen Beutel Geld schicken, das wird sie brauchen, jetzt, da sie aus den Gemächern der Königin entfernt wurde.
    Papier und Feder werden gebracht. Er setzt sich, seufzt und beginnt. Die Handschrift des Königs ist so eckig, wie er sie als Kind von seiner Mutter gelernt hat. Er ist nie schneller geworden, und je mehr er sich bemüht, desto stärker scheinen sich die Buchstaben nach hinten zu lehnen. Er hat Mitleid mit ihm: »Sir, würden Sie gern diktieren, und ich schreibe für Sie?«
    Er wäre nicht der Erste, der einen Liebesbrief für Henry schriebe. Über den vorgebeugten Kopf des Souveräns hinweg fängt Cranmer seinen Blick auf: die Augen voller Anklage.
    »Lesen Sie«, sagt Henry. Er gibt ihn nicht Cranmer. »Sie wird begreifen, oder, dass ich sie will?«
    Er liest und versetzt sich an die Stelle der jungfräulichen Lady. Er sieht auf. »Das ist sehr zart formuliert, Sir. Und sie ist sehr unschuldig.«
    Henry nimmt den Brief zurück und fügt ein paar verstärkende Sätze hinzu.
    Es ist Ende März. Mistress Seymour sucht panisch um eine Unterredung mit Henrys Sekretär nach. Sir Nicholas Carew arrangiert die Zusammenkunft, obwohl er selbst nicht dabei sein wird. Er ist noch nicht so weit, mit in die Gespräche eintreten zu wollen. Ihre verwitwete Schwester begleitet Jane. Bess sieht ihn forschend an und senkt dann die wachen Augen.
    »Das ist meine Schwierigkeit«, sagt Jane. Sie sieht ihn aufgeregt an. Er denkt, vielleicht ist das alles, was sie sagen will: Das ist meine Schwierigkeit.
    Sie sagt: »Sie können … Seine Gnaden, Seine Majestät, Sie können nicht einen Moment vergessen, wer er ist, auch wenn er es von Ihnen verlangt. Je öfter er sagt: ›Jane, ich bin Ihr demütiger Verehrer‹, desto weniger demütig, das wissen Sie, ist er. Und ständig denken Sie, was, wenn er aufhört zu reden und ich etwas sagen muss? Ich habe das Gefühl, auf einem Nadelkissen zu stehen, aus dem die Nadeln umgedreht herausstechen. Ich denke immer, ich gewöhne mich daran,

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