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Falken: Roman (German Edition)

Falken: Roman (German Edition)

Titel: Falken: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Mantel
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England?
    »Aber das wird er doch sicher nicht!«, explodiert Chapuys. »Cremuel, Sie selbst haben gesagt, das sei ein Märchen! Sie haben sich als Freund meines Masters zu erkennen gegeben, da werden Sie doch keine französische Verbindung befürworten?«
    »Ruhig, Botschafter, ruhig. Ich behaupte nicht, dass ich Henry steuern kann, und am Ende mag er entscheiden, dass er die bestehende Ehe fortsetzen oder, wenn nicht, ein Leben in Keuschheit führen will.«
    »Sie lachen ja!«, wirft ihm der Botschafter vor. »Cremuel! Sie lachen hinter vorgehaltener Hand.«
    Und so ist es. Die Bauarbeiter machen einen Bogen um sie, geben ihnen Raum, raue Londoner Handwerker mit Werkzeugen an den Gürteln. Bußfertig sagt er: »Hegen Sie nicht zu große Hoffnungen. Wenn sich der König und diese Frau wieder versöhnen, trifft es alle schwer, die sich in der Zwischenzeit gegen sie ausgesprochen haben.«
    »Sie würden sie behalten wollen? Sie würden sie unterstützen?« Der Körper des Botschafters versteift sich, als hätte er tatsächlich den ganzen Tag am Fluss gestanden. »Sie mag ja Ihre Glaubensschwester sein …«
    »Was?« Seine Augen weiten sich. »Meine Glaubensschwester? Wie mein Master, der König, bin ich ein treuer Sohn der heiligen katholischen Kirche. Nur befinden wir uns gerade nicht in Übereinstimmung mit dem Papst.«
    »Lassen Sie es mich anders ausdrücken«, sagt Chapuys. Er blinzelt in den grauen Londoner Himmel, als erhoffe er Beistand von oben. »Sagen wir, Ihre Bindungen an Anne Boleyn sind materieller, nicht geistiger Natur. Ich bin mir im Klaren, dass Sie durch sie gefördert wurden, das ist mir bewusst.«
    »Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich schulde Anne nichts. Der König hat mich gefördert, sonst niemand.«
    »Sie haben sie mitunter Ihre liebe Freundin genannt. Ich erinnere mich an Gelegenheiten.«
    »Ich nenne auch Sie mitunter meinen lieben Freund. Aber das sind Sie nicht, oder?«
    Chapuys verdaut diesen Punkt. »Es gibt nichts, was ich mir mehr wünsche als Frieden zwischen unseren beiden Nationen. Was könnte den Erfolg des Botschafters hier besser kenntlich machen als eine Wiederannäherung nach Jahren der Unruhe? Und jetzt bietet sich die Gelegenheit.«
    »Jetzt, wo Katherine nicht mehr ist.«
    Chapuys widerspricht ihm nicht. Er zieht nur den Mantel enger um sich. »Der König hat nichts Gutes von seiner Konkubine bekommen und wird es auch nicht mehr. Keine Macht in Europa erkennt seine Ehe an. Nicht mal die Häretiker tun es, obwohl Anne ihr Bestes getan hat, sich mit ihnen anzufreunden. Welchen Gewinn kann es für Sie bedeuten, die Dinge zu belassen, wie sie sind? Der König ist unglücklich, das Parlament gereizt, der Adel gespalten und das ganze Land voller Abscheu über die Anmaßungen der Frau.«
    Langsamer Regen hat eingesetzt: schwere, eisige Tropfen fallen vom Himmel. Chapuys blickt nach oben, verärgert, als käme ihm Gott in die Quere, als er den entscheidenden Punkt erreicht. Wieder fasst er, Cromwell, den Botschafter beim Arm und zieht ihn über den unwegsamen Grund zu einer geschützten Stelle. Die Männer haben ein Regendach aufgestellt, und er schickt sie mit den Worten fort: »Gebt uns ein paar Minuten, Jungs, ja?«
    Chapuys rückt nahe ans Kohlenbecken und wird vertraulich. »Wie ich höre, redet der König von Zauberei«, flüstert er. »Er sagt, dass er mit Amuletten und verbotenen Praktiken in die Ehe gelockt worden sei. Offenbar zieht er Sie nicht ins Vertrauen, aber er hat mit seinem Beichtvater gesprochen. Wenn das so ist, wenn er die Verbindung in einem Zustand der Verzauberung eingegangen ist, ist er vielleicht gar nicht verheiratet und kann sich eine neue Frau suchen.«
    Er blickt über die Schulter des Botschafters. Hören Sie, sagt er, so wird es sein: In einem Jahr werden diese feuchten, kalten Räume warm und bewohnbar sein. Seine Hand zeichnet die Linie der vorspringenden oberen Stockwerke und der verglasten Erker nach.
    Material und Werkzeuge für dieses Projekt: Kalk und Sand, Eichenbalken und Spezialzement, Spaten und Schaufeln, Körbe und Seile, kurze Nägel, lange Nägel, Dachnägel, Bleirohre. Gelbe Fliesen und blaue Fliesen, Fensterbeschläge, Riegel, Angeln, Verschlüsse, eiserne Türknäufe in Rosenform. Blattgold, Farbe, zwei Pfund Weihrauch, um die neuen Räume zu parfümieren. Sechs Pence pro Tag und Arbeiter und dazu der Preis der Kerzen für die Nachtarbeit.
    »Mein Freund«, sagt Chapuys. »Anne ist verzweifelt und gefährlich. Schlagen Sie zu,

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