Falken: Roman (German Edition)
den Tisch und beginnt zu schnarchen.
»Der Pfarrer der Hölle«, sagt er nachdenklich. Er ruft die Jungen herein. »Bringt Sir Francis zu seinen Leuten, aber packt ihn warm ein, wir brauchen sein Zeugnis vielleicht noch.«
Er fragt sich, wie viel genau du auf dem Tisch liegen lassen müsstest für Anne. Sie hat Henry die Ehre gekostet, den Seelenfrieden. Für ihn, Cromwell, ist sie eine einfache Händlerin. Er bewundert die Art, wie sie ihre Güter präsentiert. Er selbst will nichts kaufen, doch Kunden gibt es genug.
Edward Seymour wird in Henrys Gemächer berufen, was ein einzigartiger Beweis königlicher Gunst ist. Und Henry sagt zu ihm, Cromwell: »Ich denke, ich sollte den jungen Rafe Sadler zu einem meiner Kammerjunker machen. Er ist der geborene Gentleman, es wäre angenehm, ihn um mich zu haben. Zudem glaube ich, es würde auch Ihnen helfen, Cromwell, oder etwa nicht? Wenn er mir nur nicht ständig irgendwelche Papiere unter die Nase hält.«
Rafes Frau Helen bricht in Tränen aus, als sie das hört. »Er wird ständig bei Hofe sein«, sagt sie. »Die ganze Woche ist er weg.«
Er sitzt mit ihr im Salon in Brick Place und tröstet sie, so gut er kann. »Es ist das Beste, was Rafe passieren kann, ich weiß«, sagt sie. »Ich bin eine Närrin, deswegen zu weinen. Aber ich ertrage es nicht, von ihm getrennt zu sein, und ihm geht es mit mir ebenso. Wenn er sich verspätet, schicke ich Männer auf die Straße, um nach ihm Ausschau zu halten. Ich wünschte, wir könnten unser ganzes Leben Nacht für Nacht unter demselben Dach verbringen.«
»Rafe ist ein glücklicher Mann«, sagt er. »Und ich meine nicht einfach nur glücklich, weil er in der Gunst des Königs steht. Ihr seid beide glücklich, euch so zu lieben.«
Henry pflegte in seinen Tagen mit Katherine ein Lied zu singen:
»Ich verletze niemanden, ich tu nichts Schlechtes,
und ich liebe die Frau, die ich geheiratet hab …«
Rafe sagt: »Man braucht starke Nerven, ständig bei Henry zu sein.«
»Du hast starke Nerven, Rafe.«
Er könnte ihm Ratschläge geben. Auszüge aus dem »Buch mit Namen Henry«. Als Kind, als junger Mann wurde Henry für seine Liebenswürdigkeit und sein gutes Aussehen gepriesen, und er wuchs in dem Glauben auf, alle Welt sei sein Freund und wolle ihn glücklich sehen. So erscheint ihm jeder Schmerz, jede Verzögerung, jede Enttäuschung und jedes Pech als Anomalie und Frevel. Alles, was er ermüdend oder unangenehm findet, wird er in eine Vergnügung umzuwandeln versuchen, und wenn sich kein Reiz darin entdecken lässt, geht er ihm aus dem Weg. Das scheint ihm nur vernünftig und normal. Er hat Räte angestellt, damit sie sich für ihn das Hirn zermartern, und ist er schlecht gelaunt, ist es wahrscheinlich ihr Fehler. Sie sollten sich ihm nicht in den Weg stellen oder ihn provozieren. Er will niemanden sagen hören: »Nein, aber …«, sondern immer nur: »Ja, und …« Er mag keine Menschen, die pessimistisch und skeptisch sind, die ihre Mundwinkel herunterziehen und seine brillanten Projekte mit einer an den Rand gekritzelten Rechnung abwerten. Rechne im Kopf und behalte die Zahlen, wo niemand sie sehen kann. Erwarte keine Beständigkeit von ihm. Henry ist stolz darauf, seine Räte zu verstehen und ihre geheimen Meinungen und Wünsche zu erkennen; gleichzeitig ist er überzeugt, dass sie ihn nicht verstehen. Jedem Plan, der nicht von ihm selbst ausgeht oder auszugehen scheint, begegnet er mit Argwohn. Du kannst mit ihm streiten, doch sei vorsichtig, wie und wann. Du bist gut beraten, in jedem möglichen Punkt nachzugeben, bis du zum Eigentlichen kommst, und gib dich dabei immer so, als suchtest du Führung und Belehrung, statt von vornherein mit einer festen Meinung zu kommen und ihn denken zu lassen, dass du etwas besser zu wissen glaubst als er. Argumentiere geschmeidig und erlaube ihm Auswege: Dränge ihn niemals in eine Ecke oder mit dem Rücken an die Wand. Denke immer daran, dass seine Laune von anderen Leuten abhängt, also überlege, wer ihn nach eurem letzten Treffen gesprochen hat. Denke daran, dass er mehr will, als beraten zu werden: Er will gesagt bekommen, dass er recht hat. Er irrt sich nie. Es ist höchstens so, dass andere Leute in seinem Namen Irrtümer begehen oder ihn mit falschen Informationen täuschen. Henry will gesagt bekommen, dass er sich gut verhält, in den Augen Gottes und der Menschen. »Cromwell«, sagt er, »wissen Sie, was wir versuchen sollten? Cromwell, würfe es kein gutes Licht
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