Falken: Roman (German Edition)
das nächste Mal bin ich besser, aber wenn er hereinkommt, ›Jane, Jane‹, fühle ich mich wie eine verbrühte Katze. Obwohl, haben Sie je eine verbrühte Katze gesehen, Master Sekretär? Ich nicht. Aber ich denke, wenn ich nach so kurzer Zeit solche Angst vor ihm habe …«
»Er will, dass die Leute Angst haben.« Mit den Worten stellt sich ihre Wahrheit ein, doch Jane kämpft zu sehr mit den eigenen Gedanken, als dass sie begreifen würde, was er da sagt.
»… wenn ich jetzt schon solche Angst vor ihm habe, wie wird es dann erst sein, wenn ich ihn jeden Tag sehe?« Sie bricht ab. »Oh. Ich nehme an, Sie wissen es. Sie sehen ihn fast täglich, Master Sekretär. Trotzdem. Es ist nicht dasselbe, denke ich.«
»Nein, nicht dasselbe«, sagt er.
Er sieht, wie Bess den Blick voller Mitgefühl ihrer Schwester zuwendet. »Aber, Master Cromwell«, sagt Bess, »es kann doch nicht immer nur um Gesetzesvorlagen und Depeschen von Botschaftern gehen, um die Einkünfte, um Wales, Mönche und Piraten, um Intrigen, die Bibel, Schwüre, Gelder und Mündel, um Land, Verpachtungen und den Wollpreis und ob wir nun für die Toten beten sollen oder nicht. Sie müssen doch manchmal auch über andere Dinge reden.«
Er ist erstaunt, welchen Überblick sie über seine Situation hat. Es ist so, als hätte sie sein Leben begriffen. Er verspürt den Wunsch, ihre Hand zu ergreifen und ihr einen Heiratsantrag zu machen. Selbst wenn sie sich im Bett nicht verstünden, scheint sie doch ein Talent zum Précis zu haben, das den meisten seiner Angestellten versagt ist.
»Nun«, sagt Jane. »Gibt es das? Andere Dinge?«
Er kann nicht denken. Er zerdrückt seinen weichen Hut zwischen den Händen. »Pferde«, sagt er. »Henry redet gern über Handel und Handwerk, einfache Dinge. In meiner Jugend habe ich gelernt, ein Pferd zu beschlagen. So etwas gefällt ihm. Was für ein Eisen soll ich nehmen? Da kann er seine Schmiede mit Geheimwissen verblüffen. Und der Erzbischof, der reitet jedes Pferd, das ihm unterkommt. Er ist ein scheuer Mann, aber Pferde mögen ihn, er hat von klein auf gelernt, mit ihnen umzugehen. Wenn er es müde ist, über Gott und die Menschen zu reden, reden wir mit dem König über solche Dinge.«
»Und was noch?«, sagt Bess. »Sie sind so viele Stunden zusammen.«
»Manchmal auch über Hunde. Jagdhunde, ihre Zucht und Vorzüge. Festungen. Wie sie gebaut werden. Artillerie. Ihre Reichweite. Kanonengießereien. Lieber Gott.« Er fährt sich mit der Hand durchs Haar. »Manchmal sagen wir, dass wir einen Tagesausflug machen wollen, hinunter nach Kent, ins Weald, um die Eisengießer dort zu besuchen, zu sehen, wie sie arbeiten, und ihnen neue Möglichkeiten vorzuschlagen, Kanonen herzustellen. Wir tun es jedoch nie. Immer kommt etwas dazwischen.«
Er fühlt sich tief bedrückt. Als wäre er in tiefe Trauer gestoßen worden. Und gleichzeitig hat er das Gefühl, wenn jetzt jemand ein Federbett ins Zimmer würfe (was unwahrscheinlich ist), würde er Bess daraufwerfen und es mit ihr treiben.
»Nun, das wär’s dann«, sagt Jane resigniert. »Ich könnte keine Kanone gießen, und wenn es um mein Leben ginge. Es tut mir leid, Ihnen so viel Zeit gestohlen zu haben, Master Sekretär. Sie gehen besser zurück nach Wales.«
Er weiß, was sie meint.
Am nächsten Tag wird Jane der Liebesbrief des Königs gebracht, zusammen mit einem schweren Geldbeutel. Das Ganze findet bewusst vor Zeugen statt. »Ich muss diesen Beutel zurückgeben«, sagt Jane. (Aber nicht, bevor sie ihn nicht zärtlich in ihrer winzigen Hand gewogen hat.) »Ich muss den König bitten, wenn er mir ein Geldgeschenk machen will, es noch einmal zu schicken, wenn ich eine ehrbare Ehe eingehe.«
Als man ihr den Brief des Königs gibt, erklärt sie, dass sie ihn besser nicht öffnet. Denn sie kennt sein Herz, sein ritterliches, stürmisches Herz, und sie selbst besitzt nichts als ihre Ehre als Frau, ihre Jungfernschaft. Also … nein, wirklich … sie bricht das Siegel besser nicht.
Und dann, bevor sie ihn dem Boten zurückgibt, hält sie den Brief in beiden Händen und drückt einen keuschen Kuss auf das Siegel.
»Sie hat es geküsst!«, ruft Tom Seymour. »Was für ein Geniestreich! Erst sein Siegel und dann«, kichert er, »sein Zepter!«
In einem Freudenanfall schlägt er seinem Bruder Edward den Hut vom Kopf. Seit zwanzig Jahren oder mehr erlaubt er sich diesen Scherz, nicht unbedingt zu Edwards Freude, aber dieses eine Mal entlockt er ihm ein Lächeln.
Als
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