Falken: Roman (German Edition)
vertraut: kannelierte Urnen und Vasen, geflügelt und mit Podesten, dazu die blinden Köpfe von Kaisern und Göttern. In diesen Tagen werden die einheimischen Blumen und Bäume, die sich windenden Stängel und Blüten zugunsten von umkränzten Waffen, von Siegeslorbeer, dem Schaft der Liktorenaxt und des Speers abgetan. Annes Stellung verlangt mehr als Einfachheit. Seit sieben Jahren jetzt gleicht Henry seinen Geschmack ihrem an. Früher mochte er Obstweine, die Früchte des englischen Sommers, jetzt zieht er schwere, parfümierte, müde machende Weine vor. Sein Körper ist massig geworden, sodass er manchmal das Licht auszusperren scheint. »Bauen wir von Grund auf?«, fragt er. »Oder tragen wir nur eine Schicht Verzierungen auf? Beides kostet Geld.«
»Wie undankbar Sie sind«, sagt Anne. »Der König schickt Ihnen Eichenholz für Ihr Haus in Hackney und auch etwas für Master Sadler und dessen neues Haus.«
Mit einem Neigen des Kopfes zollt er seinen Dank. Aber die Gedanken des Königs sind auf dem Land, bei der Frau, die immer noch behauptet, seine Ehefrau zu sein. »Was nutzt Katherine ihr Leben noch?«, fragt Henry. »Ich bin sicher, sie ist die Streitereien leid. Bei Gott, wie leid ich sie bin. Sie wäre besser dran, wenn sie sich den Heiligen und Märtyrern zugesellte.«
»Sie haben lange genug auf sie gewartet.« Anne lacht: zu laut.
»Ich stelle mir vor, wie die Lady stirbt«, sagt der König. »Sie wird Reden halten und mir vergeben. Sie vergibt mir immer. Dabei ist sie es, die der Vergebung bedarf. Für ihren verdorbenen Leib. Dafür, dass sie meine Kinder noch vor ihrer Geburt vergiftet hat.«
Er, Cromwell, lässt den Blick zu Anne huschen. Wenn sie etwas zu sagen hat, ist das doch jetzt sicher der rechte Moment? Aber sie wendet sich ab, beugt sich hinunter und holt sich ihren Spaniel Purkoy auf den Schoß. Sie vergräbt das Gesicht in seinem Fell. Der kleine Hund, aus dem Schlaf aufgeschreckt, winselt und windet sich in ihren Händen und sieht zu, wie sich der Master Sekretär unter Verbeugungen entfernt.
Draußen wartet George Boleyns Frau auf ihn: ihre bekennende Hand, die ihn beiseitezieht, ihr Flüstern. Sagte jemand zu Lady Rochford: »Es regnet«, würde sie eine Verschwörung daraus machen, und gäbe sie die Neuigkeit weiter, würde sie es ungehörig, merkwürdig, aber traurigerweise wahr klingen lassen.
»Nun?«, sagt er. »Ist sie?«
»Hat sie noch nichts gesagt? Nein, natürlich sagt die weise Frau nichts, ehe sie nicht spürt, dass es sich bewegt.« Er betrachtet sie: mit steinernem Blick. »Ja«, sagt sie endlich und wirft einen nervösen Blick über die Schulter. »Sie hat sich auch früher schon getäuscht. Aber ja.«
»Weiß es der König?«
»Sie sollten es ihm sagen, Cromwell. Seien Sie der Mann mit der guten Nachricht. Wer weiß, vielleicht schlägt er Sie auf der Stelle zum Ritter.«
Er denkt, holt mir Rafe Sadler, holt mir Thomas Wriothesley, schickt einen Brief an Edward Seymour, pfeift meinen Neffen Richard herbei, sagt das Essen mit Chapuys ab, aber lasst die Speisen nicht verderben: Laden wir Sir Thomas Boleyn ein.
»Ich nehme an, es ist zu erwarten«, sagt Jane Rochford. »Sie war den Großteil des Sommers mit dem König zusammen, oder etwa nicht? Eine Woche hier, eine Woche da. Und wenn er nicht bei ihr war, hat er ihr Liebesbriefe geschrieben und sie ihr durch Harry Norris geschickt.«
»Mylady, ich muss gehen. Ich habe Geschäfte.«
»Da bin ich sicher. Nun ja, für gewöhnlich sind Sie ein so guter Zuhörer. Sie achten auf das, was ich sage, und ich sage, dass er ihr im Sommer Liebesbriefe geschrieben und durch Harry Norris geschickt hat.«
Er bewegt sich zu schnell, um viel aus ihrem letzten Satz zu ziehen, obwohl diese Einzelheit, wie er später zugeben wird, hängen bleibt und sich an bestimmte Sätze von ihm heftet, die noch nicht formuliert sind. Ausdrücke nur. Elliptisch. Vorbehaltlich. Wie alles unter Vorbehalt ist. Anne aufblühend, während Katherine vergeht. Er stellt sich die beiden vor, ihre Gesichter angespannt, die Röcke gerafft, zwei kleine Mädchen auf einem schlammigen Weg, die ein Brett auf einen Stein gelegt haben und darauf auf und ab wippen.
Thomas Seymour sagt sofort: »Das ist Janes Chance. Er wird nicht mehr zögern, sondern eine neue Bettgefährtin wollen. Er wird die Königin bis zur Geburt nicht anrühren. Das kann er nicht. Es steht zu viel auf dem Spiel.«
Er denkt: Der geheime König Englands hat vielleicht schon Finger, ein
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