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Falken: Roman (German Edition)

Falken: Roman (German Edition)

Titel: Falken: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Mantel
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jugendliches Glucksen. »Simon. Frohe Weihnachten, Sir, wie geht es Ihnen?«
    Er seufzt. »Ich bin überarbeitet. Hast du deiner Mutter und deinem Vater Grüße geschickt?«
    Die singenden Kinder gehen im Sommer nach Hause. Zu Weihnachten haben sie mit Singen zu tun. »Gehen Sie den König besuchen, Sir?«, krächzt Simon. »Ich wette, die Stücke am Hof sind nicht so gut wie unsere. Wir spielen Robin Hood, und König Arthur ist auch dabei. Ich bin Merlins Kröte. Master Richard Cromwell spielt den Papst und hat eine Bettlerschale. Er ruft: ›Mumpsimus, sumpsimus. Hokuspokus.‹ Wir geben ihm Steine als milde Gaben, und er droht uns mit der Hölle.«
    Er tätschelt Simons warzige Haut, und die Kröte macht mit einem schwerfälligen Hüpfer den Weg frei.
    Seit seiner Rückkehr aus Kimbolton hat sich London um ihn gelegt: der späte Herbst mit seinen bleichen, melancholischen Abenden, die frühe Dunkelheit. Die ruhigen, schwerfälligen Arrangements des Hofes umhüllen ihn, fesseln ihn Tag um Tag an seinen Schreibtisch, und die Tage verlängern sich bei Kerzenlicht zu Nächten. Manchmal würde er eine Riesensumme dafür geben, die Sonne zu sehen. Er kauft Land in den üppigeren Teilen Englands, hat aber nicht die Muße, es zu besuchen. Und so bleiben diese Güter, diese alten Herrenhäuser mit ihren ummauerten Gärten, diese Wasserläufe mit ihren kleinen Anlegern, diese mit güldenen, den Haken entgegensteigenden Fischen gefüllten Teiche, diese Weinberge, Blumengärten, Lauben und Wege – das alles bleibt für ihn flach, ein papiernes Konstrukt, eine Zahlengruppe auf einer Abrechnungsseite. Er sieht keine von Schafen angefressenen Felder, keine Wiesen, auf denen Rinder knietief im Grün stehen, kein Gehölz, keinen Wald, in dem eine weiße Ricke zittert, einen Huf erhoben, sondern pergamentene Güter, zur Pacht oder im Eigenbesitz, begrenzt von tintengeschriebenen Klauseln, nicht von alten Hecken oder Grenzsteinen. Seine Ländereien sind fiktive Ländereien, Einkommensquellen, Quellen des Unwillens; in den frühen Morgenstunden, wenn er aufwacht, erkunden seine Gedanken ihre Geografie. In diesen wachen Stunden vor der düsteren, eisigen Dämmerung denkt er nicht an die Freiheit, die seine Besitztümer ihm erlauben, sondern an das trampelnde Eindringen anderer, an ihre Nutzungs- und Wegerechte, ihre Zäune und Aussichtspunkte, von denen sie über seine Grenzen sehen und den ruhigen Blick auf seine Zukunft beeinträchtigen. Gott weiß, er ist kein Landjunge – obwohl da, wo er aufwuchs, in den Straßen bei den Kaimauern, Putney Heath hinter ihm lag, ein Ort, an dem man verloren gehen konnte. Lange Tage verbrachte er dort, lief mit seinen Brüdern herum, Jungen, so rau wie er selbst: alle auf der Flucht vor ihren Vätern, vor Gürteln, Fäusten und der Züchtigung, mit der ihnen gedroht wurde, sollten sie je stehen bleiben. Aber London zog sie in seine städtischen Eingeweide, und lange bevor er die Themse in der Barke des persönlichen Sekretärs des Königs befuhr, kannte er die Strömungen und Gezeiten und wusste, wie viel sich gelegentlich bei den Bootsleuten verdienen ließ, mit dem Entladen von Schiffen, dem Karren von Kisten die Anhöhe hinauf zu den feinen Häusern, die den »Strand« säumten, die Häuser von Lords und Bischöfen – die Häuser von Männern, mit denen er jetzt täglich im Rat zusammensitzt.
    Der winterliche Hof wechselt den Standort im gewohnten Kreis: nach Greenwich und Eltham, die Häuser aus Henrys Kindheit, Whitehall und Hampton Court, einstmals die Kardinalshäuser. In diesen Tagen ist es üblich, dass der König, wo immer der Hof residiert, allein in seinen Privatgemächern speist. Draußen vor den königlichen Zimmern, im Beobachtungsraum oder Wachraum – oder wie immer der äußere Saal, das Vorzimmer in dem Palast, in dem wir uns gerade befinden, genannt wird – gibt es einen Tisch für die wichtigen Leute, wo der Lord Chamberlain, der Vorsteher des privaten Haushalts des Königs, für den Adel Hof hält. Onkel Norfolk sitzt an diesem Tisch, wenn er bei uns am Hof ist, ebenso Charles Brandon, der Herzog von Suffolk, und der Vater der Königin, der Earl of Wiltshire. Dazu gibt es einen weiteren Tisch von etwas niedrigerem Status, aber dennoch mit der gebührenden Ehrerbietung bedient, an dem Funktionsträger wie er selbst sitzen, dazu alte Freunde des Königs, die nicht zum Adel gehören. Nicholas Carew sitzt dort, Master of the Horse, und William Fitzwilliam, der Master

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