Falken: Roman (German Edition)
Gesicht. Aber das habe ich auch früher schon gedacht. Bei ihrer Krönung, als Anne ihren Bauch so stolz vor sich hertrug, und am Ende war es nur ein Mädchen.
»Ich sehe es immer noch nicht«, sagt Sir John, der Ehebrecher. »Ich sehe nicht, wie er Jane wollen könnte. Also, wenn es meine Tochter Bess wäre. Der König hat mit ihr getanzt. Er hat sie sehr gemocht.«
»Bess ist verheiratet«, sagt Edward.
Tom Seymour lacht. »Um so mehr taugt sie für diesen Zweck.«
Edward ist erzürnt. »Sprich nicht von Bess. Bess würde ihn nicht nehmen. Bess steht nicht zur Diskussion.«
»Es könnte sich zum Guten wenden«, sagt Sir John zögerlich. »Bis jetzt war uns Jane noch nicht von Nutzen.«
»Das stimmt«, sagt Edward. »Jane nützt uns nicht mehr als ein Pudding. Soll sie ihren Unterhalt verdienen. Der König wird eine Gefährtin brauchen, doch wir schieben sie nicht in seine Richtung. Folgen wir Cromwells Rat. Henry hat sie gesehen, er hat einen Entschluss gefasst. Jetzt muss sie ihm aus dem Weg gehen. Sie muss ihn zurückweisen.«
»Oh, wie feinsinnig«, sagt der alte Seymour. »Wenn du es dir erlauben kannst.«
»Was keusch und schicklich ist?«, fährt Edward ihn an. »Das wussten Sie nie. Seien Sie still, Sie alter Lüstling. Der König tut so, als hätte er Ihre Verbrechen vergessen, doch die vergisst niemand. Die Leute zeigen mit den Fingern auf Sie: den alten Bock, der seinem Sohn die Braut gestohlen hat.«
»Ja, bleiben Sie friedlich, Vater«, sagt Tom. »Wir reden mit Cromwell.«
»Vor einer Sache habe ich Angst«, sagt er. »Ihre Schwester liebt ihre alte Herrin Katherine. Das weiß auch die jetzige Königin, die keine Gelegenheit zur Strenge auslässt. Wenn sie sieht, dass der König Jane hinterhersieht, fürchte ich, wird sie Ihrer Schwester noch schlimmer zusetzen. Anne lässt es nicht einfach so geschehen, wenn sich ihr Mann eine andere Frau zur … Gefährtin nimmt. Selbst wenn sie denkt, es ist ein vorübergehendes Arrangement.«
»Jane wird das nichts ausmachen«, sagt Edward. »Was macht schon ein Schlag oder einmal gekniffen zu werden? Das wird sie geduldig zu ertragen wissen.«
»Sie wird ihm eine große Belohnung entlocken«, sagt der alte Seymour.
Tom Seymour sagt: »Anne hat er zur Marquise gemacht, bevor er sie bekommen hat.«
Edward sieht so grimmig drein, als ordnete er eine Hinrichtung an. »Ihr wisst, zu was er sie gemacht hat. Erst zur Marquise, dann zur Königin.«
Das Parlament vertagt sich, aber Londons Anwälte, krähengleich in ihren flatternden schwarzen Roben, stellen sich auf die winterliche Sitzungsperiode ein. Die frohe Kunde sickert und leckt durch den Hof. Anne lässt ihre Mieder weiter machen. Wetten werden abgeschlossen. Federn schreiben. Briefe werden zusammengefaltet. Siegel in Wachs gedrückt. Pferde bestiegen. Schiffe setzen Segel. Die alten englischen Familien knien nieder und fragen Gott, warum er die Tudors so bevorzugt. König François legt die Stirn in Falten. Kaiser Karl beißt sich auf die Lippe. König Henry tanzt.
Das Gespräch in Elvetham, jene frühmorgendliche Plauderei: Es ist, als hätte es nie stattgefunden. Die Zweifel des Königs an seiner Ehe haben sich, wie es scheint, aufgelöst.
Und doch hat man ihn im öden winterlichen Park mit Jane spazieren gehen sehen.
Ihre Familie versammelt sich um sie. Sie rufen ihn herein. »Was hat er gesagt, Schwester?«, will Edward Seymour wissen. »Sag mir alles, alles, was er gesagt hat.«
Jane sagt: »Er hat mich gefragt, ob ich seine gute Mistress werden will.«
Sie tauschen Blicke. Es gibt einen Unterschied zwischen einer Mistress und einer guten Mistress: Weiß Jane das? Ersteres bedeutet ein Konkubinat. Letzteres etwas weniger Unmittelbares: einen Austausch von Liebespfändern, eine keusche, wohlige Bewunderung, ein verlängertes Werben … obwohl es natürlich nicht zu sehr verlängert werden kann, oder Anne bringt das Kind zur Welt, und Jane verpasst ihre Chance. Die Frauen können nicht voraussagen, wann der Erbe das Licht der Welt erblicken wird, und er kann Annes Ärzte nicht weiter bedrängen.
»Hör zu, Jane«, erklärt Edward ihr, »das ist jetzt nicht die Zeit, genierlich zu sein. Du musst uns die Einzelheiten nennen.«
»Er hat mich gebeten, ihm wohlgesinnt zu begegnen.«
»Wohlgesinnt? In welchem Fall?«
»Zum Beispiel, wenn er mir Gedichte schriebe. Um meine Schönheit zu preisen. Also habe ich gesagt, das würde ich. Ich würde ihm dafür danken und nicht lachen, auch nicht
Weitere Kostenlose Bücher