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Falkengrund Nr. 29

Falkengrund Nr. 29

Titel: Falkengrund Nr. 29 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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Seite der Welt ihr zubrüllte. Die Augen dieses mächtigen Wesens ruhten darauf wie auf der Quelle der Weisheit.
    Isabel spürte den Impuls in sich, zu ihr hinaufzuspringen, die Aufmerksamkeit dieser heiligen Gestalt auf sich zu lenken. Doch ihr Mut reichte dazu nicht aus. Voller Ehrfurcht blieb sie am Boden sitzen, presste ihren Körper eng an den schrecklichen, kratzenden Teppich.
    Die rote Katze, die sie für kurze Zeit aus den Augen verloren hatte, tat, was sie hatte tun wollen.
    Mit einem Satz aus lebendigem Feuer loderte sie vom Boden empor, bis ihre prasselnden Tatzen den Schoß der Göttin erreichten. Natürlich fügte das Feuer der Erhabenen keinen Schaden zu. Die nackte Hand der Gottheit berührte den Flammenleib, strich darüber hinweg, und aus dem Mund des heiligen Wesens kam ein brummendes Geräusch voller Güte, das Isabel in seiner Reinheit beinahe das Gehirn wegblies.
    Die Hand der Göttin tauchte unbeschadet aus dem Flammenmeer hervor, bewegte sich zur Seite und griff nach einem zylinderförmigen Etwas, dessen Oberfläche von tanzenden Mustern bedeckt war, die widersprüchliche Gefühle von Angst und Ekstase in Isabel weckten. Das Etwas wurde geöffnet, und die Hand tauchte hinein, nahm etwas hervor.
    Isabel wollte es betrachten, doch die feurige Katze hatte das Objekt bereits an sich gerissen, vor sich auf den Schoß der Göttin gelegt und verspeiste es nun mit knackenden Geräuschen, die klangen, als hätte jemand neues Holz in das Feuer nachgelegt, aus dem sie bestand.
    Fasziniert von diesem Ereignis entschloss sich Isabel, es ihrem Vorbild, der roten Katze gleichzutun. Als die Katze sich zufrieden entfernte, wollte auch sie einen Sprung wagen.
    Doch es ging nicht.
    Ihr Körper machte eine solche Bewegung nicht mit, verhielt sich träge und ungelenk. In ihrer Vorstellung hatte sie denselben Körper wie die Katze, weniger brennend vielleicht, eher dunkel und still, wie ein Fetzen Nacht, aber dennoch mit derselben Biegsamkeit und Anmut. Nun erkannte sie, wie sehr sie sich getäuscht hatte. Ihr Leib schien von einer Hülle umgeben zu sein. Diese Hülle war steif und schwer. Machte es ihr unmöglich, sich so zu bewegen, wie sie sich bewegen wollte.
    Sie starrte auf ihre Pfoten. Auf ihre Hände .
    Sie glichen denen der Göttin und nicht denen der Katze.
    Sie konnte nicht nachdenken, also konnte sie sich auch nicht fragen, wie das möglich war. Während sie ihre Hände betrachtete, ging eine Veränderung mit ihnen vor. Zwar behielten sie ihre Form bei, wurden nicht zu Katzenpfoten, doch die kurzen schwarzen Nägel zogen sich in die Länge, begannen zu wachsen.
    Isabel bohrte die Nägel in den Teppich, und das Gefühl, den ganzen Boden damit zerfetzen und ein Loch in diese Welt reißen zu können, durchflutete sie wie ein Rausch. Diese Nägel verliehen ihr Macht. Genug Macht gewiss, um die Aufmerksamkeit der Göttin auf sich zu lenken.
    Um das zu erreichen, musste sie zuerst etwas anderes tun.
    Sie musste diese lästige Hülle zerreißen, die sie fesselte und es ihr nicht ermöglichte, das zu sein, was sie in Wirklichkeit sein wollte – eine Katze!
    Sie wusste nicht, was eine Katze war. Aber sie spürte intuitiv, dass sie die Welt wie eine Katze wahrnahm, dass sie wie eine Katze dachte und empfand. Und dass die Katze tief in ihrem Inneren verborgen war, unter mehreren Schichten zähen, ekelhaften Materials.
    Diese Schichten musste sie abtragen, sonst machte diese ganze Realität für sie keinen Sinn.
    Sie grub ihre Krallen in ihre eigenen Schenkel. Der Schmerz schoss heiß und wohltuend in ihr empor, badete sie in Hitze. Sie mochte diese Hitze. Sie erschien ihr wie eine Verheißung, die Aussicht, bald so zu sein, wie die Katze aus Feuer, der sie nachstrebte.
    Kraftvoll riss sie die tief ins Fleisch gegrabenen Krallen zu sich her und zerschnitt die oberste Schicht der Hülle.

    … UND DAMIT KANN DOCH NUR IHRE KLEIDUNG GEMEINT SEIN. WAS BEDEUTET, DASS SIE SICH VOR UNS ENTBLÖSST, AUF ÄUSSERST DRASTISCHE WEISE.
    NACKTHEIT UND BLUT – SEX UND GEWALT – ZWEI ENTSCHEIDENDE ELEMENTE DER LITERATUR, DIE SIE GERNE LESEN – HIER SIND SIE VEREINT IN DEN LEIDEN DER ARMEN ISABEL.
    BEISSEN SIE NICHT GLEICH IN IHREN READER VOR ERREGUNG! LESEN SIE RASCH WEITER!

8
    „Halt! Was macht sie da?“
    Jaqueline und Dorothea hatten Isabels eigenartiges Benehmen zehn Minuten lang stumm verfolgt, Augen und Münder vor Staunen aufgerissen. Hatte die Studentin sich zunächst in seltsamen Verrenkungen über den Boden bewegt

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