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Falkengrund Nr. 29

Falkengrund Nr. 29

Titel: Falkengrund Nr. 29 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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Eine Rest-Feuchtigkeit in der Atmosphäre zum Zeitpunkt des Kühlens? Sie tastete nach der Kamera in ihrer Umhängetasche. Die Kristalle würden sich auf dem Foto gut machen. Sie vermittelten einen Eindruck von der Kälte.
    Noch immer war der Deckel des Behälters nicht vollständig offen. In diesen Momenten legten die beiden Hälften die letzten zwanzig Zentimeter zurück, enthüllten die Schultern und …
    Yuki stieß einen Schrei aus.
    Der Institutsleiter, der sich für eine Sekunde wieder dem Display zugewandt hatte, fuhr herum, starrte zuerst auf die Frau, deren Schrei nicht enden wollte, dann auf den tiefgekühlten Leib. Ein Röcheln pfiff durch seine Kehle. Es klang erbärmlich.
    Yuki dachte an eine optische Täuschung, aber es war keine.
    Ihr Vater hatte keine Arme mehr!
    Sie waren an den Schultergelenken abgetrennt worden und fehlten.
    Man hatte ihn verstümmelt, während er hier lag. Er würde nie mehr aufwachen. Sein Körper war geschändet, zerstückelt worden.
    Yuki Maeda stieß den Mann zur Seite, rannte in Richtung Aufzug und prallte gegen die geschlossene Tür. Voller Panik und Wut heulte sie auf, trommelte mit den Fäusten gegen das Metall.

2
    Manchmal ereignen sich im Leben merkwürdige Zufälle.
    Im Radio läuft ein Bericht von einer seltenen Krankheit, von der man noch nie etwas gehört hat, und ein paar Tage später vertraut einem ein guter Bekannter an, dass er unter genau dieser Krankheit leidet. In einem Buch stößt man auf ein unbekanntes Wort, und in den folgenden Wochen stolpert man an anderen Stellen ständig darüber.
    Etwas Ähnliches passierte Dr. Fumio Andô.
    Dienstags las er in der Zeitung einen Artikel über das Funabashi Cryonics Center. Das Institut, in dem tiefgekühlte Menschen auf eine Erweckung und Heilung in der Zukunft harrten, steckte tief in finanziellen Schwierigkeiten. Die Leitung sprach davon, das FCC möglicherweise schließen zu müssen, und Diskussionen über das Schicksal der sechsunddreißig Patienten waren entbrannt. Angehörige der dort im Kälteschlaf liegenden Menschen protestierten, forderten eine radikale Offenlegung der Finanzen und bereiteten rechtliche Schritte vor. Die leitende Ärztin, eine gewisse Dr. Nomura, wurde mit einigen scharfzüngigen Kommentaren zitiert, in denen sie den Angehörigen vorwarf, undankbar zu sein und es mit der Kritik zu übertreiben.
    Dr. Andô las vom FCC an diesem Tag zum ersten Mal, und auch der Name Dr. Nomura hatte ihm bislang nichts gesagt. Das kleine Foto von der Ärztin mit dem grobknochigen Gesicht allerdings prägte sich ihm ein. Der Zufall wollte es, dass er ihr noch binnen einer Woche begegnen würde.
    Am Samstagnachmittag stand sie vor seiner Tür, in Begleitung eines großen, kräftigen Mannes, und bat ihn eindringlich um ein Gespräch.
    Der Psychiater Dr. Andô war zusammen mit seiner Tochter Madoka für kurze Zeit bei seiner Ex-Frau untergekommen. Zuvor hatten sie in Hotels gewohnt, doch auf die Dauer war das zu kostspielig für einen Mann, dessen finanzielle Reserven aufgebraucht waren.
    Für Madoka war es erstaunlich, wie problemlos sich ihr Vater und ihre Mutter miteinander arrangierten, nachdem sie seit Jahren geschieden waren und nichts mehr voneinander gehört hatten. Vielleicht lag es daran, dass Vater sich unterordnete, dass er ganz und gar Asylsuchender war und keinerlei Ansprüche stellte. Nachts schlief er auf einer Matte auf dem Fußboden in der Küche, während Madoka auf der Wohnzimmercouch ruhte. Solange er zu Hause war, schwieg er und schickte seiner Ex-Frau öfters dankbare Blicke zu. Sobald er zusammen mit Madoka die Wohnung verlassen hatte, redete er wie ein Buch und breitete seine Theorien vor ihr aus. Den ganzen Tag ging ihm nichts anderes durch den Kopf als die Schatten, der Film, und die Frage, welches Geheimnis sie miteinander verband.
    Als Dr. Nomura vor der Tür stand, dachte er zunächst, es sei eine Bekannte von Madokas Mutter.
    „Sie sind Dr. Andô“, stellte die Frau mit dem kantigen, unsympathischen Gesicht fest. Ihre Augen waren von einem hellen, verwaschenen Braun, als habe man sie chemisch gebleicht, und in ihre struppigen grauen Haare mischten sich schwarze Strähnen mit gespaltenen Spitzen. Die dritten Zähne, die sie trug, schienen ihr zu klein zu sein. „Ich brauche ein Gespräch mit Ihnen. Jetzt.“
    „Aber … woher wissen Sie … Ich meine, niemand ist darüber informiert, dass …“
    „Glück“, antwortete Dr. Nomura. Aus ihrem Mund klang das Wort wie etwas, das

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