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Falkengrund Nr. 29

Falkengrund Nr. 29

Titel: Falkengrund Nr. 29 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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mit ihm durch den Gang, bis sie außer Hörweite der Schaulustigen waren.
    „Herr Schranz ist also der Mieter dieser Wohnung?“ Eben hatte Fachinger einen Blick auf die Türklingel geworfen, doch dort stand kein Name.
    „Gernot Schranz, ja“, entgegnete der Vermieter. „Er wohnt seit etwa fünf Jahren hier. Arbeitet als Kellner. Ein … etwas problematischer Mieter, hat häufig nächtlichen Besuch, wenn Sie verstehen, was ich meine. Da wird es auch mal lauter. Sie haben die Wohnung ja gesehen. Ist auch öfters mal betrunken und so, zahlt aber immer pünktlich seine Miete.“ Der Mann lächelte treuherzig. „Solche Dinge will die Polizei doch wissen, oder?“
    Fachinger ging nicht auf die Frage ein, sondern nahm eine Prise Schnupftabak. „Hatte … hat Herr Schranz Feinde?“
    „Ist er tot?“
    Der Beamte brummte unwillig. „Nein, ich … das wissen wir noch nicht. In der Wohnung ist es offenbar zu einer Bluttat gekommen.“
    „Offenbar?“
    Fachinger schnäuzte sich. Er wollte vor seinem Gegenüber die Umstände noch nicht ausbreiten. Er stellte noch einige Fragen, doch da der Vermieter nur selten im Haus war, konnte er ihm nur berichten, was er von den anderen Mietern gehört hatte. Es war also klüger, sich gleich an Schranz’ Wohnungsnachbarn zu wenden.
    Eine junge, dralle Frau mit einem einfachen, bäuerlichen Gesicht war es gewesen, die die Polizei gerufen hatte. Ihr Name war Sonja Reisäcker. Sie bat ihn in ihre Wohnung, die unmittelbar neben der von Schranz lag. Das Interieur war so vollkommen gegensätzlich, dass man kaum wahrhaben wollte, sich im selben Haus zu befinden. Als der Beamte an einer rustikalen Eckbank Platz genommen hatte, legte sie ihre Hände auf den Tisch, die feucht vor Aufregung waren, und gab ihm ungefragt eine Auskunft, die ihn aufhorchen ließ: „Der Herr Schranz ist in Urlaub. Seit einer Woche. Dominiki-… Dominikanische Republik.“
    „Wirklich? Hat er Ihnen das selbst gesagt?“
    „Ja.“ Sie richtete den Blick auf einen Punkt neben ihm, schuldhaft beinahe, kramte einen Schlüssel aus ihrer Tasche und legte ihn vor dem Hauptkommissar ab. Der Schlüsselanhänger war eine silberne Figur – ein nackter Mann.
    „Ist das ein Schlüssel zu seiner Wohnung?“
    Sie nickte zögerlich, zog ihre Hand von dem Gegenstand zurück, als klebe ein Fluch an ihm. „Sie dürfen aber nicht glauben, ich hätte irgendetwas damit zu tun. Ich meine, ich weiß nicht, was passiert ist, aber …“ Jetzt fand ihr Blick den seinen wieder, drang tief in ihn ein. „Es … es war wegen des Aquariums. Ich füttere jeden Tag die Fische. Irgendjemand muss das doch tun.“
    „Kennen Sie Herrn Schranz persönlich?“
    „Kaum. Wir wechseln ein paar Worte, wenn wir uns begegnen. Einmal hat er mir geholfen, den Computer zu reparieren. Ich bin geschieden.“ Offenbar wollte sie damit ausdrücken, dass es einen Mann brauchte, um einen PC zu reparieren. Das schien für sie eine Art Naturgesetz zu sein.
    „Wann waren Sie zum letzten Mal in seiner Wohnung?“
    „Gestern Abend gegen neun. Ich gehe immer abends und werfe drei Tabletten ins Aquarium. Futtertabletten, meine ich. Die reichen für den ganzen Tag.“
    „Tun Sie sonst noch etwas in der Wohnung? Lüften zum Beispiel, oder die Post reinlegen …“
    Sonja Reisäcker schüttelte den Kopf. „Die Post sammelt sich unten im Briefkasten. Dafür hat er mir den Schlüssel nicht gegeben. Ich füttere nur die Fische.“
    „Ich verstehe. Ist Ihnen gestern Abend oder an einem der anderen Abende irgendetwas Ungewöhnliches in der Wohnung aufgefallen?“
    „Nein“, antwortete sie, ohne nachzudenken. „Aber ich schaue die Wohnung nie so genau an. Ich bin froh, wenn ich wieder draußen bin. Die Bilder sind ziemlich …“ Sie sah ihn hilflos an.
    Fachinger konnte sich ganz gut vorstellen, wie sich die Frau fühlen musste, wenn sie sich allein in Schranz’ Wohnung aufhielt. Oder … konnte er sich das wirklich vorstellen? Nein, er war ein Mann, sie eine Frau. Woher wollte er wissen, was sie empfand?
    „Was genau haben Sie heute Morgen gehört?“, fragte Fachinger weiter.
    Ihr Blick verdüsterte sich. „Ich war gerade in der Küche, machte mir das Frühstück. Jemand schrie.“ Sie schloss die Augen, ließ ihren Kopf in die Hände sinken. „Es klang wie ein … Todesschrei.“
    „War es die Stimme von Gernot Schranz?“
    „Herr Schranz ist doch im Urlaub!“
    Fachinger knete unruhig seine Hände. „ Klang es nach Schranz?“
    „Das kann ich nicht

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