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Falkengrund Nr. 29

Falkengrund Nr. 29

Titel: Falkengrund Nr. 29 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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Frankfurt eintreffen. Fachinger beauftragte zwei Beamte damit, ihn abzuholen. Es freute ihn, dass die Zusammenarbeit mit den Kollegen in Übersee reibungslos klappte. Wenigstens eine Sache, die so lief, wie er sich das vorstellte.
    Sorgen bereitete ihm zunehmend sein Kollege Faro. In Fachingers Augen war er nie eine große Leuchte gewesen, doch seit gestern kam er ihm vor wie ein Idiot. Bei den einfachsten Aufgaben stellte er sich so tölpelhaft an, dass er sich fragte, ob er es mit einem kleinen Kind zu tun hatte. Als er zum x-ten Mal mit ihm durchgegangen war, welche Möglichkeiten für das Verschwinden der Leiche es gab, hatte Sancho mit seinem treuherzigen Hundeblick gemeint:
    „Vielleicht hat die Reisäcker sie an die Fische verfüttert.“
    Zuerst dachte Fachinger an einen Scherz, doch der Mann meinte es offenbar ernst, und er konnte nur den Kopf schütteln.
    An diesem Abend kehrte der Hauptkommissar früher nach Hause zurück. Er ging vor seinem Bücherregal auf und ab. Dabei ließ er die Bücher über Kriminalistik links liegen und betrachtete den Regalteil, auf dem sich eine kleine Sammlung von Werken über das Übernatürliche ausbreitete. Seit er vor einem halben Jahr auf Schloss Falkengrund eine Begegnung mit einem Geist gehabt hatte, war er offen für solche Themen.
    Der jetzige Fall nahm sich so bizarr aus, dass er nicht einmal einen übersinnlichen Hintergrund ganz ausschließen wollte. Er blätterte in den Büchern (es waren allesamt Neuerscheinungen aus großen, populären Verlagen), las über Engel und Dämonen und überflog ein Lexikon der Parapsychologie. Vor allem der Artikel über Teleportation interessierte ihn, und er fragte sich, ob Gernot Schranz nicht auf diesem Wege seine Zelle in La Romana verlassen haben konnte, für ein paar Minuten vielleicht. Dann hätte er in seiner Wohnung quasi materialisiert, den Mord begangen und wäre wieder verschwunden. Die Leiche konnte er an einen anderen Ort teleportiert haben, und …
    Nein, das war zu überzogen. Er schlug das Buch zu, ging ins Badezimmer und ließ sich ein Bad ein. Auch wenn er jetzt wusste, dass die berühmten Dinge zwischen Himmel und Erde, die die Schulweisheit nicht erklären konnte, in der Tat existierten, dann wollte er doch nicht alles glauben. Menschen waren keine Superwesen, die sich kurz mal durch den Raum beamten wie in Science Fiction-Filmen.
    Nur weil der Fall verzwickt war, durfte er nicht bei den fantastischsten aller Erklärungsmöglichkeiten anfangen, sondern musste auf dem Boden der Tatsachen bleiben. Er fühlte sich in der Lage, das Rätsel früher oder später zu lösen. Er war nie ein besonders guter Detektiv gewesen, hatte seine Arbeit eher mit Hartnäckigkeit und Präzision getan als mit besonderer Begabung. Doch seit gestern fühlte er sich ein wenig wie ein Holmes oder Poirot. Er konnte Zusammenhänge erfassen. Vielleicht war es so, dass man an seinen Fällen wuchs. Vielleicht wurde er besser, weil dieser Fall sich so schwierig gestaltete.
    Er entkleidete sich, goss einen Badezusatz ins dampfende Wasser und stieg in die Wanne. Der Raum roch nach Tannennadeln. Normalerweise mochte er so etwas, heute kam es ihm aufdringlich vor.
    Kaum hatte er sich in der geräumigen Wanne ausgestreckt, schlief er schon ein.
    Und im Traum sah er den Mann im Krankenzimmer wieder.

5
    Diesmal sprach er aus, was er schon in der letzten Nacht hatte sagen wollen: „Ich habe Ihnen etwas mitgebracht.“
    Der Liegende sah ihn an. Es war schwer zu sagen, unter welcher Krankheit er litt. Seine Augen blickten merkwürdig leer, doch blind war er nicht, denn die Pupillen folgten seinen Bewegungen. Verstand er überhaupt, was man zu ihm sagte?
    Fachinger griff in seine Tasche und ertastete einen länglichen Gegenstand. Ehe er ihn herausziehen konnte, kam die Schwester ins Zimmer. „Sollen wir ihn in einen Rollstuhl setzen?“, fragte sie freundlich. „Dann können Sie mit ihm in den Garten gehen.“
    Er wusste nicht, was er darauf antworten sollte, ließ den Gegenstand los und zog seine Hand schnell aus der Tasche. Der Liegende blickte ihm mit einem offenen, unbestimmten Gesichtsausdruck entgegen. Fachinger erwachte und klatschte unwillkürlich mit den Händen ins Wasser, dass es spitzte.
    Verwirrt stieg er heraus. Beim ersten Mal hatte es sich um irgendeinen Traum von vielen gehandelt, doch nun hatte er die Fortsetzung davon erlebt, auch wenn es nur ein paar Sekunden gewesen waren. Wieder war es, als habe er den Mann persönlich und real

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