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Falkengrund Nr. 29

Falkengrund Nr. 29

Titel: Falkengrund Nr. 29 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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Sache wäre jetzt geklärt …“
    Der Hauptkommissar hob den Zeigefinger. „Pass auf, Sancho! Du machst unseren Kollegen in der schönen Karibik jetzt klar, was sie zu tun haben. Sie sollen ihren Schlüsselbund nehmen, die Zelle aufsperren, den Schranz rausnehmen und in ein Flugzeug nach Frankfurt setzen. Dort werden unsere Leute ihn dann in Empfang nehmen.“
    „Obwohl er den … diesen … die nicht vorhandene Leiche … gar nicht ermordet … gehabt … haben … kann?“
    „Wir brauchen ihn hier“, sagte Fachinger. Er hievte seine Leibesfülle ächzend aus dem Stuhl, verließ das Büro und ging im menschenleeren Flur auf und ab. Das Büro war ihm mit einem Mal zu eng geworden.
    Man musste sich nur vorstellen: Schranz’ ganze Wohnung war voll mit identischen Fingerabdrücken. Die Mordwaffe ebenfalls. Von Schranz konnten all diese Abdrücke nicht stammen – der hatte ein hieb- und stichfestes Alibi, war zum Zeitpunkt der Tat einige tausend Kilometer Luftlinie entfernt in polizeilicher Obhut gewesen. Zwei andere Leute mussten sich also in der Wohnung aufgehalten haben. Aber warum fand man von dem einen unzählige Fingerabdrücke, als hätte er dort gewohnt, und von dem anderen gar keine? Und wie konnte man sich erklären, dass niemandem etwas aufgefallen war?
    Es war beinahe, als habe jemand etwas inszeniert. Etwas Unnatürliches. Die Kulissen für ein surrealistisches Theaterstück aufgestellt. „Kafka“, grunzte er in den Korridor hinein. Kein Opfer und kein Täter. Aber eine Menge Blut und eine Mordwaffe.
    Und ein Telefonbuch. Von Mannheim. 1999.
    Bedeutete das irgendetwas? Mannheim. Er spielte mit dem Wort. Mann. Heim. Die Wohnung war ein Heim. Und voller Männer. Er lachte. So etwas Verrücktes! Nein, das war ein Zufall. Auf diese Weise konnte man in alles etwas hineininterpretieren – das hatte mit Kriminalistik nichts mehr zu tun. Er hatte selbst Erinnerungen an Mannheim. Besondere Erinnerungen. Daran wollte er nicht mehr denken. Sie hatten nichts mit dem Fall zu tun.
    Auch wenn es ein bisschen so aussah.
    Fachinger merkte, dass er den Schraubenzieher in der Hand hielt. Den ganzen Abend lang war er zwischen ihm und Faro hin und her gegangen, und jedes Mal, wenn er ihn zur Hand nahm, hatte es sich angefühlt, als blase jemand Luft in sein Gehirn wie in einen Luftballon. Er war so aufgewühlt und durcheinander, dass es ihm schleierhaft war, wie er in dieser Nacht ein Auge zutun sollte.
    Ungehalten scheuchte er Faro aus dem Büro und machte sich selbst auf den Weg. Er fuhr eine Stunde lang mit dem Auto um die Stadt herum, um sich müde zu machen. Irgendwann lenkte er den Wagen in seine Garage. Tatsächlich fühlte er sich ein wenig schwer, als er sich umzog, und nach einem Gläschen Wein gelang es ihm, einzuschlafen.
    Gegen Morgen hatte er einen seltsamen Traum.

3
    Er ging durch den sterilen Flur eines Krankenhauses, auf eine bestimmte Tür zu. Er wusste nicht, zu wem er unterwegs war. Eine Schwester kam plötzlich aus einem der Räume heraus und wäre beinahe mit ihm zusammengeprallt. Als sie ihn sah, schmunzelte sie. „Sie wollen bestimmt zu ihm “, sagte sie.
    „Zu wem sonst?“, antwortete er.
    „Zimmer 15.“ Ihre Stimme klang ehrfurchtsvoll, als beherberge der Raum einen König.
    „Danke.“
    Er fand das Zimmer, klopfte leise, wie man es in Krankenhäusern tat, und trat ein. Es gab zwei Betten in dem Raum, eines davon leer. Im anderen lag ein Mann um die Sechzig, ein breites, quadratisches Gesicht, tiefe Falten auf der Stirn. Von diesem Menschen ging eine unerklärliche Macht aus, und er verstand die Ehrfurcht, die aus der Stimme der Schwester gesprochen hatte.
    Dirk Fachinger erwachte mit den Worten auf den Lippen, die er dem Mann in dem Krankenzimmer hatte sagen wollen. Was für Worte waren das? Fachinger richtete sich auf, starrte in die Dunkelheit.
    „Ich habe Ihnen etwas mitgebracht.“ Ja, das war es, was ihm auf der Zunge gelegen hatte. Das Gesicht des Mannes stand deutlich in der Finsternis des Schlafzimmers vor ihm. Er hätte ihn wiedererkannt, wenn er ihm auf der Straße begegnet wäre. Fachinger dachte nach. Hatte er diese Person schon einmal gesehen? Nur in seinem Traum. Es war ihm, als habe er den Mann eben erst kennen gelernt.
    Der Kripo-Beamte sah auf die Uhr. Sechs Uhr morgens. Seine Grippe war nicht wieder zurückgekehrt. Er fühlte sich so munter und ausgeruht, dass er es im Bett nicht mehr aushielt. Wann war ihm das zum letzten Mal passiert? Damals konnte er kaum älter

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