Falkengrund Nr. 31
hier eines finden kann.“
Der Mann verdrehte die Augen. „Absolut nicht, nein.“
Artur entschloss sich, dass es Zeit für eine direkte Frage war: „Warum sind Sie so unfreundlich? Wenn ich Sie beim Genuss der Quiz-Show gestört habe, möchte ich mich entschuldigen.“
Der rechte Fensterflügel wurde zugeknallt. „Gehen Sie nach Hause! Fremde sind in Friedlichten nicht erwünscht.“
Das war zumindest eine klare Aussage. Und die einzige, die er von diesem Herrn bekommen würde, denn der zog nun auch den zweiten Flügel krachend zu. Das war aber nicht das einzige Geräusch in der Stille des Abends. Ein anderes entstand in einer Entfernung hinter ihm. Rasch drehte er sich um. Er konnte noch den Schatten eines hochgewachsenen Mannes sehen, der hinter einem der Häuser auf der anderen Straßenseite verschwand.
Er zog die Brauen zusammen. Was war das für ein Dorf? Einer erteilte ihm eine grobe Abfuhr, ein anderer beschattete ihn? Artur stellte den Mantelkragen auf. Es wurde immer frostiger – die Kälte kam von außen und von innen. Eigentlich war er niemand, der schnell aufgab, aber schien wenig Sinn zu haben, hier nach einer Unterkunft zu suchen. Langsam ging er die Straße hinunter, angespannt, wachsam. Während er die öden, aber zweifellos bewohnten Häuser musterte, warf er alle naselang Blicke hinter sich.
Und tatsächlich – sein Schatten tauchte wieder auf.
Artur verlangsamte seine Schritte, setzte seinen Koffer ab, öffnete eine Schnalle und tat so, als wolle er etwas herausholen. In Wirklichkeit spähte er nach hinten. Der Mann kam näher. Er war ausgesprochen hager und lang, sein Gesicht fast vollständig von einem Schal verdeckt.
Artur wirbelte herum, so schnell er konnte. „Halt! Bleiben Sie stehen!“, schrie er simultan dazu.
Der andere zuckte zusammen und gehorchte. „Haben Sie … eine Waffe?“, kam nach kurzem, betretenem Schweigen die Frage. Sie klang nervös.
„Nein“, erwiderte Artur langsam. Sie trennten fünfzehn Meter, mehr nicht. „Aber ich bin kein übler Faustkämpfer, wenn es darauf ankommt. Verraten Sie mir, was Sie von mir wollen?“
Der andere zögerte. Das jedoch störte Artur nicht. Er wartete geduldig, bis etwas Bestimmtes geschah. Sein Schutzgeist schwebte unsichtbar auf den Langen zu. An dem Schaudern des Mannes konnte er erkennen, wann er ihn erreicht hatte. Verblüfft musste er feststellen, dass der Schutzengel den Mann als ungefährlich einstufte.
„Wer sind Sie?“, wollte Artur wissen. „Warum folgen Sie mir?“ Er ging jetzt einige Schritte auf den anderen zu.
Sein Gegenüber sah sich um, wie um sich zu vergewissern, dass niemand sie beobachtete. „Man nennt mich den langen Henning. Man trifft hier selten Fremde.“ Es sagte es, als ob es eine ausreichende Erklärung für sein Verhalten wäre.
Artur wies auf seinen Koffer. „Ich bin Reisender. Wird man hier immer so feindselig empfangen?“
„Ich fürchte, ja. Seit ein paar Monaten jedenfalls.“
„Dann sind Sie sicher auch der Meinung, dass Fremde hier nicht erwünscht sind.“
Der lange Henning stockte wieder mit der Antwort. „Ja“, schnaufte er. „Und nein. Nein. Die Leute hier wollen keine Fremden mehr sehen.“
„Aber Sie, Sie reden mit mir.“
Der Hochaufgeschossene lächelte schüchtern und sah an sich herab. „Das tue ich, ja.“ Jetzt lachte er richtig, als wäre er bei etwas ertappt worden.
„Sind Sie anders als die anderen?“
„In gewisser Weise, vielleicht.“ Er schien nachzudenken. „Nicht viel. Aber …“ Er hob den Kopf, sah Artur ins Gesicht. „Sehen Sie, ich habe studiert. Alles Mögliche. Ich hatte … keinen Erfolg damit. Aber ich habe dabei gelernt, dass man Dinge aus verschiedenen Perspektiven sehen muss.“
„Sie sind anders, weil Sie studiert haben?“
„Das nicht! Ich glaube, ich bin anders, weil ich … wissen möchte, was hier vorgeht. Die anderen möchten sich davor verschließen.“
„Und was ist passiert?“
„Die Menschen sind weggegangen aus Friedlichten. Es hat nichts mit Landflucht zu tun. Es ging ganz plötzlich. Auf einmal kamen sie nicht mehr miteinander aus, die Atmosphäre war vergiftet, und die meisten verließen die Ortschaft für ein paar Wochen. Nur wenige blieben zurück.“
„Und zu welchen gehören Sie?“
„Zu denen, die blieben. Und das komische ist: Ich bin der einzige, der blieb, obwohl er nichts zu tun hatte. Die anderen arbeiteten wie besessen in ihren Ställen, aber ich … ich saß nur am Fenster und sah nach
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