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Falkengrund Nr. 31

Falkengrund Nr. 31

Titel: Falkengrund Nr. 31 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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Hüllen.
    Offenbar waren es nicht nur die Opfer des Moormörders, die heute von den Toten aufstanden …

7
    Das Wetter hatte sich „geputzt“, die schweren Wolkenschichten des Vortages hatten sich zu einzelnen bizarren Wolkengebilden geteilt, die nun fantastischen Schiffen gleich über den Himmel zogen. Die Temperaturen, die in der Nacht weit unter den Nullpunkt gesunken waren, kletterten bis auf acht Grad, der Wind hatte sich gelegt.
    Jörg Spryhofen, ein rundlicher kleiner Mann, der einst den GOLDENEN GULDEN betrieben hatte, warf einen missmutigen Blick aus dem Fenster. In der Mitte der Straße, gleich vor seinem Gasthof, lag etwas auf dem Pflaster. Es war rund und dunkel, und von der Größe her glich es einer Wassermelone oder einem Fußball. Hatte etwa dieser Fremde es dort hingelegt, der die Unverschämtheit besessen hatte, gestern Abend an seiner Tür zu klingeln? Reichte es nicht, dass auswärtige Mörder ihre Leichen bei ihnen deponierten – mussten die Fremden jetzt auch noch ihren Müll ins Dorf tragen?
    Grummelnd ging er die Stufen hinab und trat aus dem Haus. Vom Ende der Straße her näherte sich eine menschliche Gestalt, ganz in Weiß. Spryhofen kniff die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen. Im Dorf kleidete sich niemand so. Noch ein Fremder? Was sollte das eigentlich geben – eine Invasion?
    Die weißgekleidete Gestalt bewegte sich merkwürdig steif, wie ein Roboter. Es kostete den Mann Überwindung, den Blick von ihr abzuwenden und das runde Ding auf der Straße zu betrachten.
    Spryhofen grunzte erschrocken. Das war ja wohl nicht möglich! Bei dem Gegenstand handelte es sich zweifellos um eine Schweinsblase, verstärkt von acht straff darüber gespannten Lederstreifen. Und: Die Blase schien mit Blut gefüllt zu sein. Er hob sie an. Sie hatte ein hübsches Gewicht.
    Inzwischen hatte sich der Fremde so weit genähert, dass Spryhofen mehr erkennen konnte. Der Schock versteinerte ihn, die Schweinsblase entfiel seinen Händen.
    Es war keine weiße Kleidung, die der Fremde trug. Sein nackter Körper befand sich in einer milchig-weißen Membran. Hölzern tappte er von einem Fuß auf den anderen, schwankend, die Arme unter der Hauthülle balancierend zu den Seiten hin ausgestreckt.
    Spryhofen dachte drei Dinge in kurzer Folge: Karneval – moderne Kunst – ein Übergeschnappter. Und dann, als der Mann sich ihm auf zwanzig Meter genähert hatte, dachte er etwas Viertes: Der ist tot.
    Der letzte Gedanke machte keinen rechten Sinn. Tote pflegten (im Gegensatz zu Maskierten, Künstlern und Verrückten) nicht durch die Straßen zu ziehen. Und doch schien die Erklärung irgendwie plausibel. Es war nicht viel mehr als ein Gefühl. Eine bestimmte Schwingung lag in der Luft, die sogar jemand wie Spryhofen auffing. Als hätten die Tore des Jenseits sich geöffnet und das Totenreich die Seelen ausgespuckt. Ihm brauchte jetzt niemand mehr zu erklären, wie eine Seele aussah, die zurückgekehrt war. Er wusste es in dem Moment, in dem er sie vor sich hatte. Diese leeren Augen …
    Das Ding kam auf ihn zu. Ungeschickt sprang er zur Seite.
    Und stieß dabei jemanden an.
    „Wer zum Teufel …“ Der Satz blieb ihm im Hals stecken, als er sah, wen er angerempelt hatte. Es war ein zweites dieser weißen Geschöpfe – eine Frau diesmal. Unter der Membran sah er schwach ihre blauen Augen glimmen. Ein Gewirr von Haaren hing in ihr Gesicht, festgeklebt durch die Haut, die sie überzog. Ihre nackten Brüste waren klein und fest, lange Fingernägel spannten die Hülle auf, zerstachen sie jedoch nicht. Die Frau hatte sich in seiner Jacke verkrallt. Zerrte an ihm und versuchte ihn zu Boden zu drücken. Ihre Kraft war enorm.
    Während er fluchend dagegen ankämpfte, erschien sein Sohn in der Haustür. „Ich … kann nichts dafür“, stammelte dieser. „Die Tür zur Vorratskammer flog auf … und heraus kam sie …“
    Dieses Wesen sollte aus seinem Haus stammen? Aus der Vorratskammer? Was redete der Filius da? Spryhofen gehörte zu denen, die seinerzeit das Dorf verlassen hatten. Niemand aus der Familie war zurückgeblieben. Sie hatten keinen Hof zu versorgen wie manche der anderen. Als sie zurückkehrten, klemmte die Tür zur Vorratskammer, und das so hartnäckig, dass sie ihre Versuche, sie zu öffnen, irgendwann einstellten.
    Gurgelnd brach er nieder. Dabei dankte er einem Gott, mit dem er schon lange nicht mehr kommuniziert hatte, dass der Griff der Untoten seine Jacke getroffen hatte, nicht seine Kehle. Er kroch außer

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