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Falkengrund Nr. 31

Falkengrund Nr. 31

Titel: Falkengrund Nr. 31 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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rief jemand. „Man darf sie nur nicht lange festhalten.“ Der Untote mit dem Ball begann zu laufen. Noch immer haftete seinen Bewegungen etwas Unkontrolliertes an. Auch wenn sie beständig geschickter wurden, diese Toten, so konnte man doch sehen, dass dies nicht ihre Welt war.
    Der Begriff „Auswärtsspiel“ drängte sich Spryhofen auf, und er schob den Gedanken mit einem schiefen Grinsen beiseite. Er verfolgte den Lauf des Weißen. Von allen Seiten her eilten Dorfbewohner auf ihn zu. Nach und nach schüttelten sie ihre Scheu ab. Ein heftiger Stoß eines Bauern warf die weiße Gestalt um, doch sie hielt den Ball auch im Fallen fest auf ihrer Brust. Gleich drei der Lebenden stürzten sich auf den Untoten. Der unterste der drei brüllte vor Schmerzen auf, als das Gewicht der anderen ihn gegen den kalten Seelenleib presste.
    Spryhofen lief los. Er wusste nicht, warum er es tat. Eine Menschenschar versammelte sich dort, und er wollte dabei sein. Er hörte das Schreien, es war hässlich, und es spornte ihn an. Vielleicht würde es Opfer geben, Verletzte oder Schlimmeres. Aber deshalb konnten sie noch lange nicht zulassen, dass diese Wesen aus dem Jenseits den Ball aus dem Dorf trugen.
    Ein Gewühl entstand. Im Inneren des Pulks wurden die Schreie lauter. Er sah verschwitzte Gesichter. Entschlossene Blicke. Schwellende Muskeln. Aber er sah noch etwas anderes. Die Untoten kamen ebenfalls. Würde ihre Zahl ausreichen, die Gruppe der Lebenden ihrerseits einzukreisen?
    Sie würde. Spryhofen bekam am eigenen Leib zu spüren, was es bedeutete, Körperkontakt mit einem Wesen aus dem Totenreich zu haben. Kälte war nicht ganz das richtige Wort dafür. Es floss etwas herüber in den eigenen Körper, was eine perfide Mischung aus Schmerz und Angst und Tod war. Er war unendlich dankbar dafür, dass die Toten diese Hülle umgab. Ohne diesen Schutz hätte ihre Berührung wohl wirklich den Tod bedeutet.
    Jetzt war es nicht mehr nur der Mann in der Mitte, der aufheulte. Auch die Äußeren brüllten vor Pein. Sie versuchten sich zu befreien – niemand wollte sterben, nicht für eine Schweinsblase. Das allerdings hätten sie sich früher überlegen müssen, solange die Unheimlichen sie noch nicht eingeschlossen hatten. „Wir müssen ausbrechen!“, grölte jemand. „Alle zu mir! Zu miiiiir!“
    Ja, es war einen Versuch wert. Anstatt jeder für sich nach außen zu drängen, drückten sie sich in eine Richtung. Spryhofen staunte. Er konnte, ohne hinzusehen, die einzelnen Menschen an ihren Schmerzensschreien auseinanderhalten. Manche knurrten wie waidwunde Bären, andere stießen hohe, pfeifende Geräusche aus. „Hau... ruck!“, presste Spryhofen hervor und stemmte sich gegen seinen Vordermann.
    Es klappte. Wie bei einem gebrochenen Damm ergoss sich die Menge in eine Richtung. Die weißen Seelenkörper wurden davon zur Seite geschwemmt. Der Untote, der ganz zuunterst gelegen hatte, erhob sich, wobei der leblose Leib des auf ihm Liegenden herabfiel. Der Mann hatte längst aufgehört zu schreien. Spryhofen nahm sich vor, nicht hinzusehen.
    Der Ball – wo war er?
    Der Untote ließ ihn fallen und kickte ihn ungeschickt hoch in die Luft. Die Blase beschrieb eine Kurve, auf ihrem Weg nach unten prallte sie gegen ein Dach und landete schließlich vor einem weiteren Weißen. Dieser musste nur ein paar Schritte gehen, konnte sich den Ball schnappen und rennen. Viel zu schnell.
    Die jungen Leute kamen nur langsam auf die Beine. Jeder von ihnen hatte Erfrierungen abbekommen, die ihn nun behinderten. Diejenigen, die es an den Beinen erwischt hatte, konnten kaum gehen und blieben fluchend und heulend zurück.
    „Lasst euch nicht unterkriegen!“, feuerte Spryhofen sie an, der seinen linken Arm nicht mehr spürte. Auch er lief los, aber er ahnte, dass er in das Geschehen nicht mehr würde eingreifen können.
    Am Ende der Straße, wo jetzt der Untote mit dem Ball unterwegs war, tauchten zwei Männer auf, der eine hochgewachsen und dünn – der lange Henning! Den anderen kannte er nicht. Es musste der Fremde sein, der am Vorabend bei ihm geklingelt hatte. Es war sein Sohn Ulrich gewesen, der ihn weggejagt hatte.
    Zorn regte sich in Spryhofen. Das hier war eine Sache zwischen den Dorfbewohnern und den Toten! Niemand sollte sich einmischen, verdammt!

8
    „Ich würde mich gerne heraushalten“, meinte Artur kleinlaut. „Was immer hier auch geschieht.“
    „Ich fürchte, das wird nicht möglich sein. Wir brauchen jeden Mann.“ Der lange Henning

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