Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Falkengrund Nr. 34

Falkengrund Nr. 34

Titel: Falkengrund Nr. 34 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
Vom Netzwerk:
Zeit …“
    In ihren Augen war alle Trauer, alle Verzweiflung, aller Wahnsinn dieser Welt, als sie sagte: „Ich kann nicht mehr warten. Schon ein Augenblick ist zu lang. Es tut mir leid.“
    Sir Darren gefiel nicht, wie sie sich für das, was kommen würde, entschuldigte. Wer sich entschuldigte, fühlte sich erleichtert, befreit. Konnte handeln.
    So würde also ein Leben enden. Sein Leben. Sir Darren war ein Kopfmensch gewesen, hatte stets alles durchschauen, analysieren wollen, und nun würde er sterben, ohne auch nur ansatzweise zu verstehen, warum. Keine Stunde, nachdem er nach Falkengrund zurückgekehrt war, und sein Mörder war nicht Lorenz von Adlerbrunn, es waren auch nicht die Schatten, sondern der Geist einer Schülerin, der er nichts getan hatte, außer vielleicht einige Male streng und ungerechnet zu ihr gewesen zu sein, wie er es zu allen ab und an gewesen war.
    Das Tröstende war, dass er nun bald wissen würde, wie das Jenseits aussah. Das interessierte ihn.
    Der Speer entfernte sich ein Stück von seiner Kehle. Kein Grund zur Hoffnung.
    Sanjay holte lediglich zum tödlichen Stoß aus.

7
    „Haben wir Besuch?“, fragte Margarete, als sie durch die Haustür in die Eingangshalle trat. „Ich höre eine fremde Stimme. Ein Mann, er … spricht Englisch, britisches Englisch.“ Natürlich dachte sie sofort an Sir Darren. Zwar war es nicht seine Stimme, die sie vernahm, und natürlich hätte er keinen Grund gehabt, hier seine Muttersprache zu verwenden, doch vielleicht hatte die Anwesenheit eines anglophonen Fremden ja dennoch etwas mit dem Verschwundenen zu tun.
    „Marg!“ Werner eilte auf sie zu, griff nach ihrer Hand, um sie zu führen, und zuckte zusammen, als er sie berührte.
    „Ich bin schmutzig, Werner, aber es ist nur Erde und der Saft einiger Kräuter. Wer ist dieser Herr?“
    „Komm, setz dich zu uns. Es ist besser, du sitzt, wenn ich es dir verrate.“
    „Wieso? Kenne ich ihn?“
    „Diesen Herrn hier nicht, höchstens aus Büchern. Er heißt Thomas Carnacki und ist …“
    „… der Geisterfinder! Du … du nimmst mich auf den Arm.“
    „Nein, Marg, es ist wahr. Aber das ist noch lange nicht die große Neuigkeit. Setz dich, habe ich gesagt.“
    „Raus mit der Sprache!“ Ihre Stimme zitterte. Sie hatte den seltsamen, verrückten Gedanken, er würde ihr gleich erzählen, Sanjay sei nicht tot, es handle sich um irgendeinen absurden Irrtum, ihr Tod ein Trugbild, eine Halluzination, Massenhypnose, das Mädchen sei noch oder wieder am Leben und …
    „Ehe du dich nicht hinsetzt, sage ich kein Wort“, zeigte Werner ungewöhnliche Härte. Härte, die in Wirklichkeit natürlich sanfte Fürsorge für sie war. „Sitzt du bequem? Gut. Dann hör mir zu: Herr Carnacki kam nicht alleine. Er war in Begleitung von … Sir Darren.“
    Margarete gab keinen Laut von sich. Sie stöhnte nicht, sie zuckte nicht, ihr Gesicht und ihr Körper waren wie eingefroren. In der linken Hand hielt sie das Säckchen mit der Kräutermischung. Diese Hand war das erste, was sich nach einigen Sekunden aus der Starre löste. Die Dozentin hob die Hand, legte das Säckchen auf dem Tisch ab, dann schloss sie die Finger wieder umso fester um den Stoff.
    „Ihr macht Spaß.“ Ihre Stimme war ein Hauch.
    „Nein. Nicht damit.“
    „Wir sind stock-ernst und pott-ehrlich“, versicherte Harald.
    „Wo ist er?“ Sie drehte ihr Gesicht nach allen Seiten.
    „Vor drei Minuten war er noch hier“, erklärte Melanie. „Jetzt ist er gerade in den Keller gegangen, um einen Wein auszusuchen. Er wird sich sehr freuen, dich zu sehen, glaub mir. Er hat sich verändert … zum Guten. Wir haben ihm erzählt, dass du … Wir haben ihm einfach alles erzählt.“
    Margarete sprang auf. Das Kräutersäckchen hielt sie umklammert, als müsse sie sich daran festhalten.
    „Warte doch“, bat Werner. „Er dürfte gleich zurück sein.“
    Margarete schüttelte energisch den Kopf. Aus ihren schmutzigen Haaren flatterte ein Blatt zu Boden. „Ich kann nicht warten. Ich muss wissen, ob es wahr ist. Jetzt, sofort. Im Keller, sagt ihr?“
    „Ich bringe dich runter.“ Werner und Melanie stießen es gleichzeitig hervor.
    „Nein, lasst mich! Ich will ihn sehen, mit eigenen Augen.“ Dieser Satz, den sie selbst aussprach, triggerte auf ihrem Rücken einen Schauer von der eiskalten Sorte. Der Wunsch, ihn zu sehen, würde so etwas von nicht in Erfüllung gehen! Was bedeutete, dass sie niemals sicher sein konnte, ob er wirklich zurückgekehrt war.

Weitere Kostenlose Bücher