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Falkengrund Nr. 34

Falkengrund Nr. 34

Titel: Falkengrund Nr. 34 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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Selbst wenn ihr auf der Treppe zum Weinkeller jemand entgegenkam, der mit seiner Stimme sprach und den die anderen zu erkennen glaubten, würde sie jemals überzeugt sein, dass es sich tatsächlich um Sir Darren Edgar handelte? Er hat sich verändert. Vielleicht glaubten sie, er wäre es, und er war es nicht. Es war so viel geschehen in den letzten Monaten, dass „Misstrauen“ ihr Zweitname geworden war. Das dritte M.
    Werner und Melanie hatten fröhlich geklungen, erleichtert. Harald hatte geklungen wie immer, und der Fremde, der angeblich Thomas Carnacki war (eine Figur, die sie aus einigen alten Gruselgeschichten kannte, viel zu alt, als dass sie heute noch am Leben sein konnte, falls sie überhaupt je über diese Erde gegangen war), war verstummt, nachdem die Dozentin eintrat. Insgesamt klang das alles nach einem riesigen Bären, den sie ihr aufbanden. Ebenso gut hätten sie ihr erzählen könnten, der fremde Mann sei nicht Carnacki, sondern irgendeine andere Fantasiegestalt wie die Zahnfee oder Brad Pitt. Was sollte das? War heute vielleicht der internationale „Schick-eine-Blinde-in-den-Keller-und-lach-dich-tot-wenn-sie-mit-einem-belämmerten-Gesicht-zurückkehrt-Tag“? Vielleicht stand etwas Derartiges im Kalender. Sie konnte ihn ja nicht lesen.
    Margarete tastete sich so ungeschickt in Richtung Keller, dass es die anderen bestimmt eine Menge Überwindung kostete, sie nicht zu führen. Unwillkürlich musste sie an die Nacht denken, an dem sie ihr Augenlicht verloren hatte. Wenige Stunden vor der Katastrophe hatte sie sich mit einem Privatdetektiv namens Fabian Possmann, der die eheliche Treue nicht erfunden hatte, in Sir Darrens Weinkeller geschlichen und sich dort von ihm vernaschen lassen. Insgeheim wünschte sie sich, es würde mal wieder ein One-Night-Lover wie er aus dem Boden wachsen. Etwa dieser Kerl, der sich als Carnacki ausgab? Seine Stimme hatte jung und angenehm geklungen. Vielleicht konnte er sie einmal gründlich durchsuchen, wenn er so gut im Finden war. Es würde sich schon etwas Findenswertes auftun.
    Ach, es tat gut, einmal für ein paar Sekunden an etwas Positives zu denken, und wenn es nur Sex war. Seit ihrer Erblindung hatte sie niemanden mehr an sich herangelassen. Dabei war ein erfülltes und abwechslungsreiches Liebesleben einst die Quelle ihrer Kraft und Ruhe gewesen.
    In den Horrorfilmen folgte auf schnellen, verbotenen Sex unweigerlich das Grauen. Nach ihrer Liebesnacht mit dem verheirateten Fabian P. (zweimal, sie hatten es gleich zweimal miteinander getan!) hatte sie ihr Augenlicht verloren und wäre beinahe ums Leben gekommen. In einem Horrorstreifen hätte es sogar noch einen zweiten Grund gegeben, warum das Schicksal (Gott?) sie strafen sollte. Sie hatte eine Flasche Wein aus Sir Darrens heiligem Keller stibitzt.
    Und jetzt war sie wieder auf dem Weg nach da unten. Zum ersten Mal seit jener Nacht.
    Wie würde es sein, ihn zu treffen? Bewegend? Seltsam? Unheimlich? Was hatte er in der Zeit erlebt, in der er verschwunden war?
    Auch wenn man sie ängstlich Stufe für Stufe hinabgeht, nimmt eine Treppe einmal ein Ende. Mit vorgestreckter Hand näherte sich Margarete der Tür zum Weinkeller.
    Und fand sie geschlossen.
    Was wollte sie mit den Kräutern? Sie beide damit übergießen, ihn und sich selbst, damit sie tief und fest verbunden wurden?
    Hinter der Tür gab es Geräusche, laute Geräusche. Ein Klirren, immer wieder Poltern. Stimmen. Es war nicht anzunehmen, dass Sir Darren mit Weinflaschen um sich warf, an den Regalen rüttelte oder laut herumschrie. Wenn sie einen Beweis brauchte, dass nicht der echte Sir Darren zurückgekehrt war, sondern eine Fälschung, dir nur aussah wie er, dann hatte sie ihn jetzt.
    Oder doch nicht? Was, wenn er angegriffen wurde? Angegriffen, in seinem Weinkeller? Marg, das ist aber jetzt sehr unwahr-…
    Sie hörte einen Schrei. Und der Schrei zog ihre Hand magnetisch zur Türklinke. Nachdem sie die Tür aufgerissen hatte, waren die Geräusche lauter geworden, aber das machte die Situation nicht deutlicher. Sie spürte eine enorme Gefahr, vielleicht nicht für sich selbst, aber für irgendjemanden, eine bittere, akute Todesgefahr, aufgelöst in einem Cocktail aus eiskalter Luft und Schreien.
    Margarete trug keine Waffe, und vielleicht war es gut so, denn sie hätte nicht gewusst, wohin sie sie hätte schleudern sollen. Also schleuderte sie ihr lächerliches Kräutersäckchen, nachdem sie es weit geöffnet hatte. In dem Moment, in dem es ihre Hand

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