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Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 14 Frisches Blut für X

Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 14 Frisches Blut für X

Titel: Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 14 Frisches Blut für X Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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von ihnen“, sagte er, ohne zu wissen, von wem er sprach. „Ich bin fremd hier. Warum sind Sie eingesperrt?“
    Für einige Sekunden herrschte Schweigen. Die Frau hinter der Tür verhielt sich still. Auch die Ketten rasselten nicht mehr. Er konnte sich vorstellen, wie überrascht sie sein musste. Die Chance, dass sich ein Fremder in dieses Dorf verirrte, war nicht sehr groß. Vielleicht dachte sie, jemand spiele ihr einen Streich. Er kannte die Hintergründe nicht.
    „Sind Sie wirklich ... ein Fremder?“, kam es zögernd aus dem Zimmer. „Sprechen Sie weiter. Lassen Sie mich noch einmal ... Ihre Stimme hören.“
    Sir Darren räusperte sich. „Ich bin nur ein Wanderer“, erwiderte er. Sein Name und seine Geschichte taten nichts zur Sache.
    „Kommen Sie, um mich zu befreien?“
    Eine gute Frage. Kam er, um sie zu befreien?
    Sir Darren war kein Held, der gewohnheitsmäßig Damen in Not zu Hilfe eilte. Sein Leben lang hatte er sich auf den Standpunkt gestellt, dass jeder sich selbst zu helfen hatte. Und dass es nicht gut war, sich in Dinge einzumischen, die einen nichts angingen. Er war nicht wie seine Kollegin Margarete Maus, die immerzu für alles und für jeden die Verantwortung übernahm. Die alles organisierte und meinte, jedes kleine Problem, das ein Bewohner Falkengrunds hatte, selbst in die Hand nehmen zu müssen. Bis sie unter all den Problemen zerbrach, die nicht einmal ihre eigenen waren.
    Er war stets auf sich selbst gestellt gewesen. Vielleicht war das der Grund, warum er bisher mit allen Schwierigkeiten fertiggeworden war. Weil er nicht zuließ, dass andere sich einmischten und die Dinge nur noch komplizierter machten. Er hatte sich nie berufen gefühlt, den Armen, Alten und Schwachen ein Retter in der Not zu sein. Zwei Mal in den letzten Wochen war er über seinen Schatten gesprungen, hatte geholfen , im Interesse der Schule, und beide Male hatte es sich gegen ihn gewandt. Er wäre jetzt nicht auf der Flucht, wenn er nicht geholfen hätte.
    Aber diese flehende Stimme. Dieses Kettenrasseln …
    War sie ein Gespenst? War dies die Falle, die das Jenseits für ihn vorbereitet hatte?
    „Wer hat Sie eingesperrt?“, formulierte er seine Frage neu.
    Auch jetzt kam die Antwort zusammenhanglos. „Unten in der Diele, neben dem Eingang ... haben Sie keinen Schlüssel gesehen?“
    Nachdenklich entfernte sich Sir Darren von der Tür, betrachtete sie, konnte jedoch nichts Ungewöhnliches daran entdecken.
    In Gedanken versunken ging er die Treppe hinab. Sie knarrte jetzt mehr unter seinen Schritten als zuvor. Er achtete darauf, seine Füße nicht in die Mitte, sondern an den Rand der Holzstufen zu setzen. Das Knarren ließ nach, und er fühlte sich gleich wohler.
    Er musste nicht lange suchen. Innen neben der Haustür hingen an einem mit Bauernmalerei verzierten Brett zwei Schlüssel. Er nahm sie von den Haken, und ehe er damit wieder in den ersten Stock zurückkehrte, öffnete er die Haustür einen Spalt weit und warf einen Blick nach draußen. Noch immer war niemand zu sehen. Er schloss die Tür wieder und balancierte die Treppe nach oben. Mittlerweile hatte er gelernt, sich nahezu lautlos darauf zu bewegen.
    Seine Unschlüssigkeit war verflogen. Wenn die Geister ihn attackieren wollten, mussten sie ihn dafür nicht eigens in ein Zimmer locken. Sie konnten es ebenso gut im Flur tun. Also gab es keinen vernünftigen Grund, sich vor dem Öffnen dieser Tür zu fürchten. Er probierte einen der beiden Schlüssel, und er passte auf Anhieb.
    Aus dem Inneren des Zimmers kam ein leiser Freudenschrei, als Sir Darren die Tür aufdrückte. Der Mann war angespannt, bereit, sich herumzuwerfen und die Flucht zu ergreifen.
    Auf dem kahlen Fußboden des schlicht eingerichteten, dunklen Zimmers kauerte eine Frau und blickte zu ihm auf. Sie war jung, zwanzig Jahre vielleicht, und bildschön. Dunkelblonde Locken fielen in Kaskaden auf ihre Schultern, Strähnen davon hingen auch in ihrem Gesicht. Ihr Mund war klein und rund, die blauen, durchscheinenden Augen schienen alles Licht im Raum aufzufangen und gebündelt zurückzuwerfen. Vielleicht lag es an den Tränen, die in ihren Augen standen. Auf den runden Wangen zeichneten sich feuchte Spuren ab. Ihre Hüften und Brüste waren üppig, aber nicht dick. Sie trug ein aufwändiges, reich besticktes Kleid. Ein Sonntagskleid. Alte, schwere Hand- und Fußschellen fesselten sie an einen breiten Schrank. Vor ihr auf dem Boden standen eine Metallkanne und ein Papierbecher. Kein Glas,

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