Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 15 Der Zauberer und das Mädchen
in die falsche Richtung. Der Preis, den Frödd genannt hatte, war lächerlich niedrig, aber wahrscheinlich tat das der Sache nicht einmal gut. Es verstärkte nur den Eindruck, es mit einem Gebäude zu tun zu haben, das alle mieden und das niemand haben wollte, nicht einmal geschenkt …
Sie besichtigten eben die Zimmer auf der Rückseite des Schlosses, als Konrad Samuels Stimme hörte. „Herr Winkheim, bitte kommen Sie zu mir!“ Das klang nicht nach großer Gefahr, und dennoch fuhr er zusammen. Er bat Charmaine dazu, mit Frödd die Begehung fortzusetzen, während er hinunterging und nachsah, was Rosenberg auf dem Herzen hatte. Vermutlich hatte er etwas gefunden, das er ihm zeigen wollte. Zur Abwechslung mal etwas Positives? Oder etwas, was ihn endgültig davon überzeugen würde, dass er dieses Haus nicht kaufen durfte?
Konrad fing Charmaines missmutigen Blick auf. Ihr gefiel nicht, dass sie mit Frödd hier bleiben sollte. Der Magier lächelte ihr fahrig zu. Er sah kein Problem darin, sie mit dem Zwerg allein zu lassen. Wäre sie mit Samuel zusammen gewesen, hätte er größere Sorgen gehabt …
9
Konrad Winkheim blieb mitten auf der Treppe stehen. Ein unartikulierter Laut drang aus seiner Kehle, und sein Kinn klappte herunter.
Das war doch nicht möglich!
Samuel Rosenberg stand unter ihm in der Halle, etwas außerhalb der Mitte. Er hatte den Kopf noch immer ein wenig eingezogen und warf unsichere Blicke in Richtung Decke. Bis zu diesem Punkt unterschied sich die Szene kaum von jener, die er ein paar Minuten zuvor verlassen hatte. Doch dort, wo der junge Mann hinsah, war tatsächlich etwas! Konrad erkannte die Umrisse menschlicher Beine – sie traten hell fluoreszierend hervor, und sie bewegten sich!
An der Hüfte verlor sich das Bild im Nichts, ein Oberkörper war nicht zu sehen. Während Samuel von der Erscheinung wie gefesselt war, entstand unmittelbar hinter ihm ein zweites Beinpaar. Diese Beine zuckten heftiger, strampelten in der Luft, als hänge ihr unsichtbarer Besitzer an der Decke.
Der linke Knöchel traf Samuel an der Schulter, und er wurde ein wenig nach vorn geschubst, fing sich jedoch und drehte sich blitzschnell um. Weitere Beinpaare formten sich in der Luft, vier, fünf und mehr …
Konrad schaffte es nicht, die Stufen hinab zu gehen. Er verharrte, einer Statue gleich, in der Stellung, in der er gewesen war, als der Spuk begonnen hatte.
Samuel taumelte und setzte sich auf den Fußboden. Sein Kopf ruckte hin und her, und seine Blicke sprangen von einem der Gespenster zum anderen. „Herr Winkheim“, krächzte er. „Sehen Sie … sehen Sie das auch?“
„Ja“, würgte Konrad hervor.
„Was ist das?“
Konrad konnte nicht antworten. Ein Spuk! Zum ersten Mal in seinem Leben sah er das, was er in seinen Shows so gut zu kennen vorgab: das Übersinnliche! Das, was nicht von dieser Welt war und doch Eingang in sie fand.
„Laufen Sie, Herr Rosenberg!“, rief er. „Wir haben in diesem Haus nichts mehr verloren. Ich hole nur Charmaine und …“ Von einer Sekunde auf die andere hatte er Schloss Falkengrund aufgegeben. Er wollte es nicht mehr, brauchte die Bibliotheken und Gästebetten und Kartentische nicht mehr. Was sich dort am hellen Tag vor seinen Augen abspielte, fuhr ihm bis ins Mark, ließ ihn von innen heraus schaudern und weckte die schiere Todesangst in seinem Herzen. Mit einem Mal verstand er, welche unangenehmen Erinnerungen Herr von Adlerbrunn mit diesem Haus verband und warum dreitausend Mark für ein Anwesen dieser Größe noch immer einen zu hohen Preis darstellten.
Endlich schaffte er es, seine Schuhsohlen von der Stufe zu lösen, an der sie festgefroren zu sein schienen. Mit großen Schritten erreichte er den Korridor. Er sah Ferdinand Frödd, aber nur diesen. Der kleine Mann stand vor einer der Türen und wirkte etwas ratlos. Wo war Charmaine?
„Sie ist in diesem Raum“, gab Frödd Auskunft. Selbst er, der bis eben unerschütterliche Gelassenheit demonstriert hatte, schien beunruhigt zu sein. Er nahm die winzige Brille von der Nase und umklammerte sie auf ungeschickte Weise.
„Das ist unmöglich. Charmaine wollte die Zimmer nicht betreten.“
„Dieses wollte sie aber betreten, mein Herr.“
„Geht die Tür nicht auf?“ Konrad rüttelte an der Klinke – vergeblich.
„Sie scheint von innen abgeschlossen zu haben“, kommentierte Frödd.
„Warum sollte sie so etwas tun?“
Der Zwerg hob die Schultern. „Ein Mann wie Sie sollte die Frauen besser kennen.
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