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Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 5 Nummer Dreizehn

Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 5 Nummer Dreizehn

Titel: Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 5 Nummer Dreizehn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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er hatte es mit Schatten zu tun, und Schatten waren nicht körperlich existent und trugen auch keine Energie in sich, die sich spüren ließ.
    Er stieß den Atem aus, entspannte sich.
    Doch dieser gnädige Zustand währte nur einige Sekunden.
    Dort, wo die Schatten seine Füße und Waden erreicht hatten, schien alles Blut in seinen Adern zu gefrieren. Es war das Gefühl, das man hat, wenn man seine Beine in Eiswasser taucht. Kein unmittelbarer, plötzlicher Schmerz wie bei einer Schnittverletzung, sondern eine langsame, kriechende Pein, die immer stärker und schließlich unerträglich wird.
    Georg hatte das Gefühl, seine Füße würden ihm absterben, seine Knochen zu Eis gefrieren. Er schrie und stieß sich von der Mauer ab. Ächzend taumelte er über den Rasen. Wenn er die Augen schloss, war es, als wate er mit nackten Füßen durch ein Eismeer. Die Schattenfläche wurde dichter und schloss sich vollkommen um ihn. Immer höher kroch die Dunkelheit an seinen Beinen empor, und als sie seine Schenkel erreichte, wurden seine Knie steif und unbeweglich.
    Gott, was für ein Wahnsinn war das? Er durfte sich gar nicht vorstellen, was für ein Gefühl es sein würde, wenn die Schatten erst über seine Hüfte schwappten. Wenn sein Unterleib in diesen Schleier aus Eis tauchte, würden die Schmerzen, die er jetzt litt, keinen Vergleich mehr abgeben ...
    Georg tat all die sinnlosen Dinge, die jemand tut, der nicht begreift, was mit ihm geschieht. Er versuchte die Schatten mit den Händen abzustreifen, abzu kratzen , fortzureißen. Doch der Schmerz griff rasend schnell auf seine Finger über, und er musste es aufgeben. Er schüttelte sich, doch natürlich ließ sich die Schwärze nicht abwerfen.
    Eine Minute lang irrte er ziellos durch den Garten, halb blind vor Schmerz und Panik, unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen. Die Schatten hatten jetzt seine Hüfte erreicht.
    Das Gehen fiel ihm immer schwerer. Vor Schmerzen konnte er seine Beine kaum mehr bewegen. Als sein Unterleib in Eiswasser getaucht wurde, wusste er, dass er sterben würde, wenn kein Wunder geschah. Er hatte keine Vorstellung davon, was mit ihm passierte, aber er war sich im Klaren, dass er es nicht überleben würde.
    Da fiel ihm etwas auf. Er konzentrierte sich, versuchte, die Schmerzen auszublenden, vernünftig nachzudenken, und wenn es nur für zehn Sekunden war.
    Es waren die Schatten der Pflanzen , die ihn attackierten. Weshalb auch immer – es waren die Schatten der Rosen, der Blumen, der Bäume, der Hecken, die ihn zu töten versuchten. Nicht der Schatten, den das Gebäude warf. Nicht der Schatten der Mauer.
    Die Sonne stand im Osten. Er befand sich westlich von all den Pflanzen. Die Schatten bewegten sich zwar, wie lebendige Wesen, scheinbar frei auf ihn zu, aber vielleicht – vielleicht waren sie an die Richtung des Lichtes gebunden. Vielleicht – –
    Es war eine Distanz von zweihundert Metern bis hinter die Beete. Dann würde er jenseits der Rosensträucher, Ligusterhecken und Obstbäume sein. Im Schatten des zweistöckigen Gebäudes.
    Zweihundert Meter – unter normalen Umständen würde er für die Distanz eine halbe Minute benötigen. Doch von der Hüfte abwärts war sein Körper ein Meer aus Pein, Pein, die es kaum zuließ, die Beine zu bewegen. Die ihn an den Rand der Ohnmacht brachte.
    Trotzdem versuchte er es.
    Humpelte auf das Schloss zu wie jemand, der vergessen hatte, wie man ging. Er ruderte mit den Armen, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren. Er wusste nicht, ob er eine Chance hatte. Er wusste nur eines – wenn er stürzte, würde er nicht mehr die Kraft haben, sich aufzurappeln. Die Schatten würden seine Arme, seinen Oberkörper überfluten, und sein Herz würde binnen weniger Sekunden stillstehen.
    Minuten vergingen. Minuten, in denen er sich Meter für Meter vorwärts quälte. In denen er immer öfter daran dachte, den Kampf aufzugeben und den Tod zu akzeptieren. Lieber tot, als diese Schmerzen länger aushalten zu müssen. Sie waren jetzt in seinen Gedärmen, in seinem Magen, in den Nieren, in der Leber, überall. Eines seiner Organe nach dem anderen schien zu Eis zu erstarren.
    Die Hälfte lag hinter ihm. Die Rosen hatte er schon passiert. Einige der Bäume ebenfalls.
    Er spürte, wie die Kälte nachzulassen begann. Und diese Empfindung rettete ihm das Leben. Denn sie spornte ihn dazu an, die letzten Meter noch zu gehen, und wenn ihn die Pein in den Wahnsinn trieb.
    Immer wieder dachte er daran, um Hilfe zu schreien. Doch

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