Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 6 Tod in Kupfer
...“
„Wanderung? Nur ... wir zwei?“
„Sind zwei nicht genug? Wir könnten natürlich deine Freundin Madoka fragen, ob sie mitkommt. Aber ich fürchte, sie wird eine größere Bereicherung für unsere Unterhaltungen sein, wenn sie abwesend ist. Du musst zugeben, dass sie selten mehr als drei Wörter am Stück sagt.“
„Madoka ist nicht meine Freundin ...“
Melanie grinste unverschämt. „Ach, wirklich nicht? In den Filmen heiraten die Männer immer die Frauen, mit denen sie sich am Anfang prügeln.“
„Ich habe mich nicht mit ihr geprügelt.“
„Aber das Gerücht sagt, sie sei deinetwegen aus dem Fenster gesprungen. Und das, als du noch gar nicht richtig angekommen warst. Das ist ein guter Anfang. – Hör zu, wir fragen Werner, ob wir den kleinen Wagen bekommen. Dann fahren wir ein Stück und schlagen uns in die Büsche. Bildlich gesprochen, natürlich.“
„Der kleine Wagen?“
„Der beige Honda. Er gehört der Schule, wie der Kleinbus auch. Die Studenten dürfen die Autos benutzen. Wir sind Studenten, es ist Samstag – also, worauf warten wir?“
„Ja“, murmelte Artur. „Worauf warten wir?“
3
„Ich kann nicht länger warten!“
Charlie warf den schweren Katalog, den er in der Hand hielt, auf die blanken Dielen des Fußbodens. Hans zuckte erst zusammen und wurde dann hinter seinem Schreibtisch winzig klein. Im Nebenzimmer hörte eine Sekretärin auf zu tippen. Obwohl die Computertastatur kaum Geräusche verursachte, war es zu hören, denn die Verbindungstür stand offen, und nach dem Knall kehrte vollkommene Stille ein. Es war nach neunzehn Uhr – die Maschinen in der Fabrikhalle standen längst still, und der letzte der Arbeiter hatte vor einer Viertelstunde seinen Feierabend angetreten.
„Charlie, bitte! Wir haben so oft darüber geredet ...“ Hans schluckte, atmete tief durch, und seine flehende, unterwürfige Stimme gewann wieder etwas Selbstbewusstsein zurück. „Die Ausgaben, die du dir wünschst, könnten den Betrieb in den Konkurs treiben ...“
„Blödsinn!“, fauchte Charlie. „Wenn uns jemand in die Pleite treibt, dann sind es deine lächerlich altmodischen Ansichten! Und du da draußen“, wandte er sich schroff an die von hier aus unsichtbare Sekretärin im Vorzimmer, „tippst gefälligst weiter, anstatt die vertraulichen Unterhaltungen deiner Vorgesetzten zu belauschen.“
„Von Top-Secret-Gesprächen dieser Sorte kann ein Mensch taub werden“, gab die Sekretärin keifend zurück. Sie war keine Frau, die sich anschnauzen ließ. Schon gar nicht von dem Mann, den die meisten Arbeiter insgeheim „die vier C“ nannten: ihren cholerischen Chef Charlie Colm.
Wie immer roch es in der ganzen Firma nach einer Mischung aus Kaffee und Metall. Das war nicht verwunderlich, denn in den großen Boilern in der Fabrik wurde Kaffee aufgebrüht und in Dosen gefüllt. Die Gebrüder Colm mit Sitz in Rheinstetten bei Karlsruhe waren einer der wenigen Hersteller für Dosenkaffee in Europa. „Colm’s Kaffee Exquisit“ hieß ihre Marke, nur echt mit dem orthographisch falschen Apostroph vor dem s. In Deutschland war der Markt für Dosenkaffee noch sehr überschaubar, aber er wuchs ständig, und die Exporte nach Frankreich und Belgien liefen nicht schlecht.
Trotzdem warf die kleine Fabrik nicht viel Gewinn ab. Das Erschließen neuer Märkte verschlang eine Menge Geld, und die Investitionen in ständig neue Technik ließen unter dem Strich kaum Profit übrig.
„Die Kessel, die wir verwenden, sind keine drei Jahre alt“, gab Hans Colm zu bedenken. „Und sie halten zwanzig, vielleicht dreißig Jahre. Denk daran, was sie uns gekostet haben, Charlie! Wir müssen ihnen Zeit geben, sich zu amortisieren. Die Zeit arbeitet für uns.“ Er hob die Schultern. „Bisher haben sie sich gut bewährt.“
„Die Zeit steht nicht still, kleiner Bruder! Und deswegen arbeitet sie nicht für , sondern gegen uns. Aber das scheinst du nicht zu verstehen.“ Charlie umkreiste Hans’ Schreibtisch mit kräftigen, dröhnenden Schritten. „Mit den neuen Geräten können wir hochwertige Ware zum halben Preis produzieren. Wir erreichen eine höhere Automatisierung und sparen uns mindestens vier, fünf Arbeiter. Und die Energiekosten liegen niedriger, die Garantiezeit ist länger, die Wartungskosten geringer ...“
„Ja, aber die Anschaffung kostet uns ein Vermögen.“
„Wenn du nicht bereit bist, in die Zukunft zu investieren, solltest du keinen Betrieb führen, der so zukunftsorientiert
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