Falkenhof 01 - Im Zeichen des Falken
keine Chance bekam, ihnen zu entwischen.
»Wo bringen Sie mich hin?«, wollte er wissen, als ihn die beiden gedungenen Schurken in ihre Mitte nahmen. Tillmann hatte seinen Säbel wieder blank gezogen und hielt ihn quer über seinen Schoß, als hoffte er auf eine Gelegenheit, ihn auch zu benutzen.
»Wirst sehen!«, sagte Zeppenfeld knapp und übernahm die Spitze.
Sie ritten nach Südwesten. Zur linken Hand schien die tief hängende Nachmittagssonne durch die Baumspitzen. Tobias war erstaunt, wie gut sich Zeppenfeld auskannte. Statt sich aus dem Staub zu machen, wie sein Onkel angenommen hatte, hatte er die Zeit offensichtlich gut genutzt, um die Gegend kennen zu lernen und diese beiden Galgengesichter aufzutreiben, vermutlich in Mainz, wo man derlei Gestalten in den Kneipen unten am Rhein zu dutzenden antraf. Tillmann und Stenz waren genau die Sorte Männer, die sich stets der Armee verschrieben, die am besten zahlte, und deren Gewissen so durchlässig war wie ein löchriger Putzlappen.
Tobias ahnte bald, wohin es ging – zur einsam gelegenen Hütte des alten Isaac Diehl. Er hatte bis zu seinem Tod vor zwei Jahren in einer schäbigen Unterkunft auf einer kleinen Lichtung gehaust und sein Brot, zu mehr hatte es meist nicht gereicht, als Köhler verdient. Längst waren die mannshohen, halbkugelförmigen Lehmöfen in sich zusammengefallen, und viel besser konnte es auch um seine Hütte nicht bestellt sein.
Seine Vermutung bestätigte sich, als Zeppenfeld zielstrebig auf die Heimstatt des Köhlers zuhielt und die Hütte wenig später vor ihnen auftauchte. Schon von weitem sah sie wenig vertrauenserweckend aus. Das Dach war an mehreren Stellen eingefallen. Die Wände schienen sich noch mehr nach innen geneigt zu haben, und die
Säcke, die ehemals vor den beiden Fenstern links und rechts der Tür gehangen hatten, waren verrottet und bestanden nur noch aus Fetzen.
»Kein Vergleich zu Falkenhof, bist aber nicht minder herzlich willkommen. Werden das Beste daraus machen, damit du uns in guter Erinnerung behältst«, spottete Zeppenfeld und saß ab. »Schätze aber, werden nicht lange das Vergnügen deiner Gesellschaft haben.«
»Sie wollen ihn erpressen! Das ist es doch, was Sie vorhaben!«, sagte Tobias in ohnmächtiger Wut.
»Erpressen? Ein ehrenwerter Handel, Junge, nichts weiter«, erwiderte Zeppenfeld fröhlich. »Tauschen beide etwas, was uns lieb und teuer ist. Nichts gegen einzuwenden. Werden beide auf unsere Kosten kommen.«
»Mein Vater hätte Sie damals in der Wüste den Männern des Scheichs überlassen sollen! Sie haben es nicht verdient, was er für Sie getan hat!«, schleuderte er ihm voller Verachtung ins Gesicht. »Sie sind durch und durch verdorben!«
Tillmann zerrte Tobias unsanft aus dem Sattel. »Blas die Backen nicht so auf, sonst setzt es was, und ich sorg dafür, dass du Staub frisst!«, herrschte er ihn an, packte ihn am Arm, stieß mit dem Stiefel die Tür auf und versetzte ihm einen Stoß, dass er ins Innere der Hütte stolperte.
»Keine Tätlichkeiten, Tillmann! Nur auf meine Anweisung!«, warnte Zeppenfeld. »Kostbarer als zehn von deiner Sorte, der Junge. Müssen ihn recht hegen.«
»Mein Gott, ich wüsst schon, wie«, knurrte das Bartgesicht und stiefelte hinter Tobias in die Köhlerhütte.
Sie bestand nur aus einem einzigen großen Raum, etwa zehn mal fünf Schritte in der Grundfläche. Jetzt, da außer einem klobigen Tisch, drei Hauklötzen, die wohl mal als Sitzgelegenheit gedient hatten, und einer selbst gezimmerten Kommode ohne Schubladen sonst nichts mehr in der Hütte stand, wirkte der Raum groß. Früher hatte der alte Diehl rechts vom Eingang sein Werkzeug aufbewahrt, Brennholz aufgestapelt und seine wenigen Habseligkeiten in einem offenen Schrank mit Brettern gelagert. Der Schrank war verschwunden. In einer Ecke entdeckte Tobias noch ein zertrümmertes Fass. Das Dach war rund um den Kamin, der über der Feuerstelle an der hinteren Längswand aufragte, eingebrochen, sodass der Himmel zu sehen war. Es war ein trostloser Ort.
»Setz dich und halt dein Maul!«, befahl Tillmann, obwohl er gar nichts gesagt hatte, und wies mit seinem Säbel auf einen der Hauklötze.
Zeppenfeld trat ein, gefolgt von Stenz, der einen kleinen Sack trug. Er warf seinen Soldatenmantel über die dreibeinige Kommode, klirrte mit seinem Degen gegen den Tisch und zog den Sack auf, während er sich auf einem der anderen Hauklötze niederließ.
»Schätze, auf die gelungene Partie können wir uns einen
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