Falkenhof 01 - Im Zeichen des Falken
Hand mit dem scharfen Messer eine gute Handbreite über dem Seil.
Noch war es nicht so weit. Erst kamen noch die Ablenkungsmanöver von seinem Onkel und Jakob.
Heinrich Heller machte den Anfang. Er stand am Westtor, eine große weiße Serviette an seinem Spazierstock. Vorsichtig öffnete er die Luke und spähte hindurch. Dann sagte er zu Jakob: »Zeppenfeld und seine Männer halten die Allee im Auge. Ich versuche mein Bestes. Geh du jetzt zum Osttor rüber und nimm schon den Balken runter. Aber vorsichtig! Wenn ich dir das verabredete Zeichen gebe, reißt du das Tor auf. Dann ist Klemens an der Reihe.«
Jakob nickte und verließ ihn.
Heinrich Heller stieß den Spazierstock mit dem weißen Tuch durch die Luke und rief: »Zeppenfeld? Ich will mit Ihnen verhandeln! … Zeppenfeld! … Hören Sie mich?«
Zeppenfeld trat ein wenig aus den Schatten der Bäume hervor. »Höre Sie sehr gut, Professor! Gibt aber nichts zu verhandeln!«
»Sie wollen den Spazierstock! Und wenn Sie den haben wollen, werden Sie mit mir verhandeln müssen!«
»Werde ihn schon bekommen!«
»Eine Hand voll Asche und einen geschmolzenen Klumpen Metall werden Sie erhalten!«, erwiderte Heinrich Heller, hustete und fuhr dann mit gepresster Stimme fort: »Werde den verdammten Stock nämlich zu Kleinholz machen und mir an dem Feuer die kalten Füße wärmen, wenn Sie nicht bereit sind, mit mir einen Handel zu schließen.«
»Herr Professor! Werden nicht so dumm sein!« Zeppenfeld klang entsetzt. »Stock ist – Vermögen wert!«
»Das kümmert mich einen Dreck! Entweder wir verhandeln oder das Ding landet umgehend im Feuer!«, drohte Heinrich Heller.
»Bin zu Handel bereit!«, ertönte es sofort von Zeppenfeld. »Unter Umständen! Welche Bedingungen?«
»Verdammt noch mal, erwarten Sie, dass ich mir hier die Kehle aus dem Leib schreie? Einer Ihrer gedungenen Halsabschneider hat mir eine Kugel in die Schulter verpasst, falls Ihnen das entfallen ist. Ich hab mich in meinem Leben schon mal besser gefühlt. Wenn Sie mit mir verhandeln wollen, müssen Sie sich schon zu mir begeben – oder haben Sie Angst, ich könnte Sie über den Haufen schießen?«, höhnte Heinrich Heller.
Zeppenfeld lachte selbstsicher. »Sind ein Staatsfeind, aber kein Mörder. Jakobiner mit der Feder, nicht mit der Guillotine! Werden also verhandeln«, rief er und ging die Allee hoch.
Heinrich Heller hielt einen Augenblick den Atem an, ob auch Zeppenfelds Männer näher aufrückten, wie er gehofft hatte. Denn je weiter sie sich näherten, desto später würden sie den Ballon entdecken. Das war der ganze Sinn dieser Aktion.
Und sie kamen wirklich mit Zeppenfeld näher!
»Erwarte Ihre Forderungen, Professor! Muss sich aber in Grenzen halten!«, rief Zeppenfeld und blieb zwanzig Meter vor dem Tor stehen.
»Der Stock ist ein Vermögen wert! Das haben Sie selbst gesagt!«
»Nur für mich! Außerdem: Können Sie nicht laufen lassen, Professor. Müssen verstehen. Kann aber ein gutes Wort für Sie einlegen. Prächtiger Bursche, der Pizalla.«
»Sie haben Nagelbrecht bestochen, nicht wahr?« Damit lockte Heinrich Heller ihn näher heran. »Ich weiß, dass Nagelbrecht uns an Sie verraten hat! Niemand sonst kann es gewesen sein.«
Zeppenfeld lachte. »Ein Mann mit Ambitionen – und leeren Taschen. Hat sich geziert, der Gute. Mächtig lange sogar. Musste noch einen Batzen nachlegen. Aber Nagelbrecht ist jetzt nicht weiter wichtig.«
Heinrich Heller täuschte wieder einen Hustenanfall vor. »Hören Sie, Zeppenfeld, ich hole mir hier noch den Tod. Ich will drinnen mit Ihnen reden.« Und mit gedämpfter Stimme fügte er hinzu: »Schon wegen der Gendarmen! Was ich Ihnen vorzuschlagen habe, ist nichts für deren Ohren.«
»Wollen mich in eine Falle locken, Professor!«, stieß Zeppenfeld argwöhnisch hervor.
»Machen Sie sich doch nicht lächerlich! Was soll ich denn mit Ihnen als Geisel anfangen? Glauben Sie, die Gendarmen würden mich dann einfach so abziehen lassen? Oder Pizalla? Und wo sollte ich auch hin? Ich bin verletzt! Und wenn ich hätte flüchten wollen, hätte ich schon über alle Berge sein können, bevor Sie hier eingetroffen sind.«
Das leuchtete Zeppenfeld ein. »In der Tat. Geiselnahme sinnlos. Ohne Nutzen. Würde nur Schlinge um Hals noch fester ziehen. Nehme Ihre Einladung an.«
»Gut, ich öffne das Tor«, sagte Heinrich Heller scheinbar unbesorgt, dass Zeppenfeld und seine Komplizen die Gelegenheit dazu nutzen könnten, ihn zu überwältigen.
Er zog die
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