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Falkenhof 01 - Im Zeichen des Falken

Falkenhof 01 - Im Zeichen des Falken

Titel: Falkenhof 01 - Im Zeichen des Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schröder
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»Vierundzwanzig blütenblattförmige Stoffbahnen zu einer Eiform zusammengenäht. Die Näherinnen haben wochenlang daran gearbeitet.«
    »Und die Verarbeitung!«, schwärmte Heinrich Heller. »Kein Vergleich zu früher, wo man die Hülle geteert hat, damit die Luft nicht so schnell entweicht. Erzählen Sie dem Jungen, wie der Falke präpariert ist, Pagenstecher!«
    »Doppelt gefirnisstes Gewebe! Abgedichtet mit Kautschuk der ersten Güteklasse. Zweifach aufgetragen auf alle Nähte. Für die Qualität verbürge ich mich mit Ansehen und Position! Nicht eine Stunde habe ich die Männer bei der Arbeit unbeaufsichtigt gelassen«, rühmte er sich mit feierlichem Ernst.
    »Prächtig! Ganz prächtig!« Heinrich Heller schwellte förmlich die Brust vor Stolz und Freude.
    »Und was ist mit dem Emblem?« Tobias wandte sich jetzt an Pagenstecher. »Was genau haben Sie denn aufgenäht, Herr Pagenstecher? Bestimmt einen Falken, nicht wahr? Aber in welchen Farben? Schwarz doch bestimmt nicht. Dann würde er sich ja nicht von der Hülle abheben.«
    »Tja, wenn du mich so fragst …« Er zögerte und schaute Heinrich Heller fragend an, der den Kopf schüttelte und sagte: »Das wirst du schon früh genug sehen, mein Junge. Lass dich nur überraschen.« Er schlug das Segeltuch wieder über die zusammengelegten Bahnen Seide und Taft und verschnürte sie gut. »Und nun sollten wir uns den anderen Dingen zuwenden, die erledigt werden müssen.«
    »Ich schicke zwei Männer, die beim Aufladen zur Hand gehen«, sagte Pagenstecher, während sie den Lagerraum verließen. »Die Gondel steht im Nebenraum, gleichfalls in Segeltuch eingeschlagen.«
    »Was ist mit der Seilerei?«, fragte Heinrich Heller.
    »Kaspar Willms hält alles, was Sie geordert haben, für Sie bereit, Herr Professor.«
    »Prächtig! Prächtig!«
    Tobias grinste. Sein Onkel war in Hochstimmung und fand an diesem Tag offenbar alles prächtig. Na, es war aber auch ein toller Tag. Das mit dem Ballon war wirklich eine Sensation, die einen schon auf der Erde zu Höhenflügen bewegen konnte!
    Jakob und Sadik standen vorn beim Tor. Sie unterhielten sich nicht, was bei dem wortkargen Stallknecht kein Wunder war. Er beschränkte sich bei einem Gespräch darauf, zu nicken, den Kopf zu schütteln oder knapp nachzufragen, wenn ihm etwas nicht klar genug schien. Sadik war damit zufrieden. Jakob war ein rechtschaffener Mann, fleißig und auf seine Art warmherzig. Aber was hätten sie beide reden sollen? Es trennten sie einfach Welten, als dass sie sich etwas zu sagen gehabt hätten, was über Gemeinplätze und das Wetter hinausging.
    Heinrich Heller deutete mit dem Kopf auf die beiden. »Warte du bei ihnen, Tobias. Ich gehe nur noch schnell mit aufs Kontor. Es dauert nicht lange.«
    »In Ordnung, Onkel.«
    Jakob hatte sich eine Pfeife angezündet und der würzige Duft wehte herüber. Sadik, noch immer bis zu den Ohren eingehüllt, blickte selbstvergessen zum blauen Himmel hoch, an dem Vögel kreisten. Aus der Fabrik drang das unablässige, gleichmäßige Rattern der Webmaschinen.
    Tobias setzte sich nahe des Tors auf eine Kiste.
    Sadik wandte sich ihm zu. »Zufrieden?«, tönte es dunkel unter dem Wolltuch hervor.
    »Und wie!«, Tobias strahlte ihn an.
    Der Araber nickte, aber nicht erfreut. Auch wenn er das Tuch dicht um seinen Kopf gewickelt hatte, sah Tobias doch, dass Sadiks Gesicht verschlossen war. Das Unheil, das er mit dem Ballon zu ahnen glaubte, konnte er ihm geradezu von den Augen ablesen.
    »Komm, Sadik! Schau nicht so finster drein!«
    Sadik verzog keine Miene. »Kennst du die Geschichte von dem allzeit optimistischen Tölpel?«, fragte er mit Grabesstimme.
    Tobias seufzte. »Nein, aber sicher wirst du diese ungeheure Wissenslücke gleich füllen«, spottete er.
    »Es war einmal ein Tölpel, der immer glaubte, dass schon alles sein gutes Ende nehmen würde, sofern er den Dingen nur voller
    Vertrauen und Zuversicht auf Allah entgegensähe. Eines Tages kam er in eine große Stadt mit einer mächtigen Turmruine, vor dessen Besteigung ihn jeder warnte. Doch die Neugier lockte ihn zu sehr und voller Vertrauen auf Allah kletterte er die hundertvierzehn Stufen des Turms hoch …«
    »So viele Stufen, wie der Koran Suren hat?«, warf Tobias ein.
    Sadik nickte knapp. »Ja, und als er die Spitze erreicht hatte, bröckelte ein Stein unter seinen Füßen weg und er fiel in die gähnende Tiefe. Doch er schrie nicht und beklagte auch nicht seine Torheit, sondern sagte sich, als er schon die

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