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Falkenhof 01 - Im Zeichen des Falken

Falkenhof 01 - Im Zeichen des Falken

Titel: Falkenhof 01 - Im Zeichen des Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schröder
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Schauer lief Tobias über den Rücken. »Wovon redet sie, Sadik?«
    »Ich weiß es nicht. Sie hat hohes Fieber und phantasiert«, antwortete der Araber, und sein Gesicht sah müde aus. »Ihr Körper kämpft den Kampf seines Lebens.«
    »Kannst du denn gar nichts für sie tun?«
    »Ich habe alles getan, was ich tun konnte, Tobias. Aber auch wenn der größte hakim an meiner Stelle an ihrem Bett sitzen würde, wäre jetzt auch für ihn der Zeitpunkt erreicht, wo er alles Weitere in die Hände Allahs legen und auf ihn hoffen müsste«, erklärte er und erhob sich von der Bettkante. »Was mir noch zu tun bleibt, ist, frisches Wasser zu holen.«
    »Das kann ich doch tun«, bot Tobias sich an.
    »Lass nur. Ein wenig Bewegung und frische Luft können mir nach der langen Nacht nur gut tun«, wehrte er ab und nahm Kanne und Schüssel von der Kommode, auf der auch sein Koran aufgeschlagen lag. »Bleib du bei ihr. Wenn du etwas tun möchtest, so nimm den Schwamm und befeuchte ihr gelegentlich die Lippen. Das Fieber trocknet ihren Körper aus. Aber lange werde ich nicht wegbleiben.«
    Tobias wäre lieber frisches Wasser holen gegangen, als allein mit dem kranken Mädchen im Zimmer zu bleiben. Doch er behielt das für sich.
    Er holte sich einen Stuhl, schob ihn an die Seite des Bettes, wo auch die Kommode stand, und kämpfte mit seiner Beklommenheit. Der kleine Affe lag neben der linken Hand der jungen Zigeunerin, doch er schlief nicht. Mit wachen Augen blickte er zu ihm hoch.
    Die Lippen der Kranken bewegten sich und murmelten etwas, was er nicht verstehen konnte. Er griff nach dem Schwamm und benetzte vorsichtig ihre Lippen. Ein Wassertropfen rann an ihrem Kinn herunter. Dann berührte er vorsichtig ihre Stirn – und erschrak.
    Ihm war, als hätte er eine heiße Ofenplatte berührt. Ihre Haut schien in Flammen zu stehen. Entsetzt zuckte seine Hand zurück.
    Ihr Gesicht glühte!
    Angst schnürte ihm die Kehle zu. War das Fieber vorhin auch schon so hoch gewesen? Wo blieb Sadik bloß? Was sollte er nur tun? Mit jagendem Herzen forschte er in dem Gesicht des Mädchens, ob sich ihr Zustand nicht in den letzten Minuten rapide verschlechtert hatte. Ihr Atem! Ging er jetzt nicht viel schneller und flacher als vorhin noch? Und glühte nicht ihr ganzes Gesicht? Rang sie vielleicht schon mit dem Tode, jetzt in diesem Moment, vor seinen Augen, und er bemerkte es nicht?
    Ihm wurde heiß und kalt und er bekam eine Gänsehaut. Er fühlte sich so entsetzlich hilflos. Warum hatte Sadik ihn nur allein gelassen!
    Ein verzweifelter, blinder Zorn wallte mit der Angst in ihm auf. Zorn auf den Grafen, auf die junge Zigeunerin – vor allem aber auf das ungerechte Schicksal, das ausgerechnet in der Stunde ihrer Rückkehr von Mainz nach Falkenhof auch die Zigeunerin und die Kutsche des Grafen auf ein und dieselbe Straße zusammengeführt hatte. Womit hatte er das verdient! Wo er doch auf Paris verzichtet hatte! Statt sich an dem Ballon und den künftigen Abenteuern zu erfreuen, lag eine dunkle, bedrückte Stimmung auf Falkenhof. Und er saß hilflos und voller Angst am Bett eines fremden Zigeunermädchens, statt bei seinem Onkel zu sein und mit ihm die nötigen Vorbereitungen für den ersten Ballonflug zu organisieren. Verflucht sollten sie sein, der Graf, der Unfall und die …
    Er führte den Gedanken nicht zu Ende, denn ihm war plötzlich bewusst geworden, was ihm da durch den Kopf gefahren war. Heftig erschrak er über die Kaltherzigkeit und den Egoismus, dem er freie Zügel gelassen hatte. Wie gemein und herzlos von ihm, mit seinem Schicksal zu hadern und voller Zorn zu sein, nur weil er nicht lachenden Gesichtes mit seinem Onkel das Abenteuer Ballonflug in Angriff nehmen konnte – während das Mädchen verzweifelt um sein Leben kämpfte!
    Tobias war über seine Gedanken selbst so entsetzt und so beschämt, dass ihm die Schamesröte wie eine heiße Woge ins Gesicht schoss.
    »Es tut mir Leid«, sagte er schnell zu dem Mädchen. »Ich habe es nicht so gemeint! Ich weiß auch nicht, was in mich gefahren ist. Es hat mir einfach Angst eingejagt, dass ich nicht weiß, was ich tun soll.
    Mein Gott, ich kann ja gar nichts tun. Und ich habe auch schlecht geschlafen und Albträume gehabt. Von dir habe ich auch geträumt. Aber ich weiß nicht mehr, was es war.«
    Er sprach, als könnte er mit seinem Redestrom die gemeinen Gedanken aus der Welt schaffen und das beklemmende Gefühl der Hilflosigkeit bekämpfen. »Pettlach, der Mistkerl, müsste eigentlich

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