Falkenhof 01 - Im Zeichen des Falken
im Bett liegen und sich seinen Fettbauch im Fieber abzittern. Das wäre Gerechtigkeit! Mein Onkel hat völlig Recht, wenn er Leute seines Schlages adliges Gesindel nennt. Genau das sind sie auch! Er sagt, sie unterscheiden sich von gewöhnlichen Schurken und ordinärem Räuberpack nur dadurch, dass sie Geld und Macht haben und die Gesetze stricken, mit denen sie ihren Gaunereien und Verbrechen den Anstrich der Rechtmäßigkeit geben. Pizalla gehört auch dazu. Ob Riebel in den Kerker geworfen wird, weil er offen seine Meinung gesagt hat, oder ob ein Muskelprotz in einem Wirtshaus einen anderen einfach niederschlägt, weil ihm dessen Nase nicht passt – es ist ein und dieselbe Schweinerei. Das Schlimme ist nur, dass man das Lumpenpack im Herrschaftsrock nicht vor Gericht stellen kann. Ja, mein Onkel hat nicht viel übrig für den Adel. An jedem Adelstitel klebt das Blut und Elend der einfachen Leute, und es stimmt auch. Wenn du … wenn du gesund bist, erzähle ich dir von ihm. Na ja, Pizalla wird dich bestimmt nicht interessieren. Was hast du schon mit solchen Sachen zu tun, stimmt’s? Aber wenn mein Onkel es erlaubt, werde ich dir vom Falkenhof erzählen, und ich …«
Die Tür ging auf. Sadik kehrte zurück.
Verlegen, als hätte er ihn bei etwas ertappt, wandte Tobias sein Gesicht schnell ab und legte den Schwamm, den er noch immer in der Hand hielt, auf den Teller zurück. Erleichtert und zugleich innerlich zutiefst beschämt, räumte er den Platz.
»Ich habe ihr die Lippen benetzt. Aber sie verbrennt, Sadik! Ihre Stirn ist glutheiß!«
»Das Fieber«, erwiderte der Araber ruhig, ging um das Bett herum und stellte Kanne und Schüssel ab. Dann fühlte er ihre Stirn. »Wie vorhin.«
Tobias wusste nicht, was er sagen sollte. Dann fiel sein Blick auf den Malak, der sich aufgerichtet hatte. Er roch an der Hand des Mädchens, kratzte sich wie ein Mensch hinter dem Ohr und legte sich dann wieder hin.
»Du hast dich also auch schon mit dem Affen angefreundet.«
»Du irrst. Kein Araber freundet sich mit einem Affen an.«
»Ja, aber du hast ihn doch aus dem Käfig gelassen und ihm erlaubt, bei dem Mädchen auf dem Bett zu liegen!«
Sadik setzte eine verdrossene Miene auf. »Weil mir nichts anderes übrig geblieben ist. Als ihr gestern aus dem Zimmer wart, hat er verrückt gespielt, wie wild an den Stangen gerüttelt und gezetert, dass auch ein Heiliger die Ruhe verloren hätte.«
Tobias grinste ein wenig schadenfroh. »Bestimmt galt das nicht dir. Er wollte wohl zum Mädchen.«
»Aiwa, der Gedanke ist mir auch gekommen. Deshalb habe ich ihn auch aus dem Käfig gelassen.«
»Aber warum habt ihr Araber überhaupt etwas gegen Affen?«, wollte Tobias wissen.
»Warum hat der Teufel bei euch einen Pferdefuß?«, fragte Sadik zurück.
»Dann ist der Affe für euch die Verkörperung des Teufels?«
»So ist es. Eines unserer Sprichwörter heißt: ›Missgestalteter hat Gott nichts geschaffen als einen Affen‹«, erklärte der Araber. »In unserem Volk geht die Legende um, dass der Affe ursprünglich ein Mensch gewesen sei …«
»Weil er uns in so vielem so ähnlich ist?«
»Vermutlich. Und wegen all seiner Schlechtigkeiten hat Allah ihn in einen Affen verwandelt.«
»Aber das ist doch purer Aberglaube!«
»Jedes Volk hat seinen eigenen Aberglauben«, entgegnete Sadik gelassen. »Oder ist es kein Aberglaube, wenn Lisette sich erschrickt und dreimal hastig bekreuzigt, wenn sie Salz verstreut? Oder dass Jakob keine schwarzen Katzen auf Falkenhof duldet, weil sie ihm aus der falschen Richtung über den Weg laufen und somit Unglück bringen könnten?«
»Doch, ist es schon.«
»Und? Bist du ganz frei davon?«
Tobias zögerte. »Nein. Nicht immer«, gab er dann ehrlich zu.
»Ich hätte den Affen nicht bei mir geduldet, wenn mir Sihdi Heinrich nicht versichert hätte, dass dieser Affe da ein ganz besonderer ist – ein Glückssymbol! Und weil er dem Mädchen bestimmt viel bedeutet. Deshalb habe ich ihn herausgelassen. Das Mädchen kann jetzt alles Glück der Welt gebrauchen.«
Tobias hatte sich rittlings auf einen der gepolsterten Stühle gesetzt, die Arme über der Rückenlehne gekreuzt und den Kopf darauf gelegt. Er bewunderte die Ruhe und Gelassenheit, die Sadik ausstrahlte. Und von dieser Ruhe ging auch ein wenig auf ihn über.
»Stell mir ein Rätsel, Sadik!«, forderte er ihn auf. »So eines wie mit dem Himmel und den Sternen.«
Sadik lächelte. »Ja, ein Überwurf voller Knöpfe … Was kann ich dir
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