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Falkenhof 01 - Im Zeichen des Falken

Falkenhof 01 - Im Zeichen des Falken

Titel: Falkenhof 01 - Im Zeichen des Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schröder
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denn anbieten?« Er nickte. »Pass auf! Es ist grau wie die Nacht, ist aber keine Nacht. Frisst Gerste, ist aber kein Esel. Bohrt sich ins Haus, stiehlt den Käse!«
    »Eine Maus!«, löste Tobias das Rätsel im Handumdrehen.
    »Gut!«, lobte Sadik.
    »Das war aber nicht schwer. Der Hinweis mit dem Käse hat ja schon fast alles verraten.«
    »So, es war dir also zu leicht und du willst natürlich noch eins.«
    »Gern.«
    »Na, dann wollen wir doch mal sehen, ob du das hier auch so schnell lösen kannst«, sagte Sadik. »Von Stambul brachte man mich, in den Palast des Kalifen legte man mich und wegen meiner Schönheit ließ man mich durch Seide gehen.«
    Tobias nagte grübelnd an der Unterlippe. »Von Stambul brachte man mich … und ließ mich durch Seide gehen … Seide. Eine Frau? … Seine Braut?«
    Sadik schüttelte den Kopf.
    »Seide gehen … Seide gehen«, murmelte Tobias. »Vielleicht ein Diwan?«
    »Auch nicht.«
    »Was dann?«
    »Eine Schere!«
    »Aber warum denn gerade eine Schere aus Stambul?«
    Sadik schmunzelte. »Warum denn nicht? Der Kalif, von dem das Rätsel erzählt, ließ eben lieber in Stambul einkaufen als in Bagdad.«
    Tobias blieb noch eine Weile bei Sadik. Als er ging, sagte er: »Wenn ich dich noch einmal ablösen soll, brauchst du mich nur zu rufen.«
    »Das werde ich.«
    Sadiks Rätsel hatten ihn nur für einen kurzen Moment aufheitern können und in gedrückter Stimmung verließ er das Krankenzimmer. Ganz Falkenhof lag unter dem Schatten des Todes.
    Tobias suchte seinen Onkel und fand ihn in seiner neuen Experimentierwerkstatt, wo er über mathematischen Berechnungen saß. Er sah an diesem Tag sehr alt aus. Die Falten und Linien schienen sich über Nacht tiefer in sein Gesicht gegraben zu haben. Er hatte auch wenig Schlaf gefunden, da er an Sadiks Seite bis in die frühen Morgenstunden am Bett der jungen Zigeunerin gewacht und danach auch nur ein paar Stunden unruhigen Schlafes gefunden hatte. Mit dem Wissen im Hinterkopf, dass das fremde Mädchen gegen das zehrende Fieber ankämpfte, fiel es ihm schwer, sich auf nüchtern mathematische Formeln zu konzentrieren. Deshalb legte er auch sofort die Feder aus der Hand, als er seinen Neffen zur Tür hereinkommen sah.
    »Wie geht es ihr?«, war seine erste Frage.
    »Unverändert«, antwortete Tobias niedergeschlagen. »Sie ist glutheiß im Gesicht vor Fieber. Sadik sagt, dass er nichts weiter für sie tun kann.«
    »Dann verhält es sich auch so.«
    »Der verfluchte Prettlach! Nicht einmal angehalten hat er!«, stieß er in ohnmächtiger Wut hervor.
    »Natürlich nicht. Was bedeutet ihm schon ein Zigeuner!«, sagte Heinrich Heller erbittert.
    »Warum muss man sich das gefallen lassen, Onkel?«
    Dieser seufzte schwer. »Weil sie die Macht zur Willkür haben. Aber eines Tages wird sich das ändern.«
    »Aber wann?«
    »Ich weiß es nicht. Solche Veränderungen geschehen nicht über Nacht. Aber die Dinge werden sich ändern, das ist gewiss.
    Auch wenn es noch einige Zeit dauert. Aber jede noch so weite Reise beginnt bekanntlich mit dem ersten Schritt.«
    »Und wie kommt ihr voran?«
    »Wer ihr?«
    »Na, du und Florian Kupferberg und all die anderen.«
    »Wir schmieden ein Eisen, von dem wir heute noch nicht sagen können, was es eines Tages an Veränderungen bewirken wird«, antwortete er ausweichend. »Aber ich bin zuversichtlich, und entscheidend ist, dass man nicht die Hände in den Schoß legt und darauf vertraut, dass andere etwas tun.«
    »Wird es eines Tages auch bei uns eine Revolution geben?«, fragte Tobias und nahm ein Prismenglas vom Tisch. Das Licht brach sich darin in bunten Farben und er musste an den Regenbogen denken, der zu beiden Seiten auf den Kastenwagen der jungen Zigeunerin gemalt war.
    »Wer weiß, möglich ist alles, auch wenn es im Augenblick nicht danach aussieht. Wenn die Menschen erst einmal erkennen, auf welch tönernen Füßen die Macht ihrer Unterdrücker steht – und wenn der einfache Soldat endlich begreift, dass er nur Kanonenfutter ist und von Fürsten und Potentaten für ihre Machtgelüste missbraucht wird, dann darf man hoffen. Aber erst wenn sich sein Bajonett nach oben kehrt, statt gegen seinesgleichen, hat solch eine Revolution Aussicht auf Erfolg.«
    »Dann können wir wohl noch lange warten«, murmelte Tobias.
    »Ja und nein. Einer Revolution sieht man eben nicht an, wann sie beginnt, eine zu sein. Niemand kann so recht vorhersagen, wo und wann ein Funke in ein Pulverfass fällt.«
    Tobias runzelte die

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