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Falkenhof 01 - Im Zeichen des Falken

Falkenhof 01 - Im Zeichen des Falken

Titel: Falkenhof 01 - Im Zeichen des Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schröder
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zu tiefe Betäubung würde ihr mehr schaden als nutzen. Sie würde ihren Körper noch mehr schwächen.«
    Zweimal ging Tobias auch mit dem Affen auf den Hof. Er war plötzlich ganz unruhig geworden, vom Bett gesprungen und im Zimmer hin und her gelaufen, dabei lauthals kreischend. Erst hatte Tobias nicht gewusst, was sein seltsames Benehmen bedeuten mochte. Die Schalen mit Fressen und Wasser, die neben seinem Käfig standen, interessierten ihn gar nicht. Also schieden Hunger oder Durst aus.
    Dann war Tobias der Gedanke gekommen, dass der Affe möglicherweise ein ganz anderes Bedürfnis befriedigen wollte, und das hatte sich als richtig erwiesen. Offensichtlich war er stubenrein, denn er verrichtete seine Notdurft nur im Freien. Danach wollte er aber stets sogleich zum Mädchen ins Zimmer zurück. Dort sprang er zu ihr aufs Bett, roch an ihr, als müsste er sich vergewissern, dass sie noch lebte, und legte sich dann wieder ruhig hin.
    Das stumme Sitzen und Warten im Zimmer, das Fiebergestammel und Stöhnen des Mädchens und die Tatsache, dass es sich offenbar einfach nicht zum Guten wenden wollte, drückten jedoch schwer auf sein Gemüt. Er war deshalb jedes Mal froh, wenn er wieder bei Jakob und Klemens war und hart arbeiten konnte – auch wenn ihm das Gewissensbisse bereitete. Die Dunkelheit kam daher für ihn viel zu früh. Am liebsten hätte er bis tief in die Nacht gearbeitet, obwohl ihm längst alle Muskeln schmerzten.
    Er konnte sich an keinen Abend auf Falkenhof erinnern, der ihm so zur Qual geworden war wie dieser. Noch nicht einmal als sein Vater zu seiner neuen Expedition aufgebrochen war und er gewusst hatte, dass er ihn bestimmt nicht vor ein, zwei Jahren wieder sehen würde – wenn alles gut ging! Sicher, er hatte sich schrecklich elend gefühlt, verlassen und auch ein wenig verstoßen. Doch er hatte bei seinem Vater von Anfang an gewusst, dass dieser Tag kommen und er sich ins nächste Abenteuer stürzen würde. Er war vorbereitet gewesen. Auf den drohenden Tod einer jungen Zigeunerin unter ihrem Dach war er dagegen ganz und gar nicht vorbereitet.
    Tobias zog sich gleich nach dem Abendessen in sein Zimmer zurück, nachdem er den Affen noch einmal auf den Hof hinausgeführt hatte. Wie froh war er, sich körperlich so verausgabt zu haben. Todmüde fiel er in sein Bett und schon Augenblicke später umfing ihn der Schlaf und zog ihn in eine leere, schwarze Tiefe, in der es keine Angst und Albträume gab, sondern nur Stille und Dunkelheit.
    Als er am nächsten Morgen erwachte, fühlte er sich ausgeschlafen und erfrischt, auch wenn sein rechter Arm und seine Schulter noch immer ihren schmerzhaften Protest über die ungewohnt heftige körperliche Anstrengung des Vortages kundtaten.
    Sein erster Gedanke galt dem Mädchen.
    »Sie hat die Nacht gut überstanden«, beruhigte ihn Sadik mit einem Lächeln, als er sich bangen Herzens in das Krankenzimmer wagte. »Al-hamdu li-llah! … Allah sei’s gedankt!«
    »Sie wird es also schaffen?«, stieß Tobias unendlich erlöst hervor.
    »Aiwa, es sieht ganz danach aus. Das Fieber ist schon etwas zurückgegangen. Aber noch ist es zu früh, um zu jubilieren«, dämpfte er sogleich Tobias’ Freude.
    Aber es ging dem Mädchen besser! Die schwerste Krise war überstanden. Das genügte Tobias, um seine Bedrückung abzuwerfen und den Tag voll Freude und Zuversicht zu beginnen.
    Nach einem kräftigen Frühstück begab er sich dann sogleich wieder zu Jakob und Klemens in den Hof, um weiter am Podest zu arbeiten. Die Sonne stand am Himmel und das geschäftige Hämmern war wie Musik in seinen Ohren. Jetzt würde sich alles zum Guten wenden!
    Wie der Zufall es wollte, war es ihm vergönnt, die ersten Worte mit der jungen Zigeunerin zu wechseln. Es war am späten Vormittag, als er mit dem Affen vom Hofgang zurückkehrte. Sadik hatte das Zimmer verlassen, um in seinem Zimmer seine rituellen Waschungen und Gebete zu verrichten, als sie aus ihren Fieberträumen erwachte.
    Tobias erschrak, als sich plötzlich ihre Lider hoben und er in dunkle, flaschengrüne Augen schaute. In ihnen stand noch ein fiebriger Glanz, doch sie blickten klar und nahmen bewusst wahr, was sie sahen.
    »Oh, mein Gott, endlich!«, entfuhr es ihm unwillkürlich.
    »Was … ist … passiert …? Wo bin ich?«, fragte sie leise, aber doch gut verständlich.
    Ihre Stimme erschien ihm völlig fremd. Es schien ihm so gar nicht die Stimme eines Mädchens zu sein, denn sie hatte eine dunkle, fast rauchige Färbung. Von

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