Falkenhof 01 - Im Zeichen des Falken
den Korken besser nicht knallen!«, warnte er ihn noch rechtzeitig. »Sonst denken Sadik und Jakob, die Hülle wäre geplatzt, und holen uns ganz schnell wieder herunter! Vor allem Sadik wird doch keine Sekunde zögern, wenn er von hier oben einen Knall hört!«
»Richtig, der gute Sadik mit seinen Befürchtungen. Also gut, dann lassen wir es nur leise zischen«, sagte Heinrich Heller und öffnete die Flasche mit Umsicht, sodass der Korken nicht knallend aus dem Hals sprang. Kühl und perlend rann der Champagner in die Gläser.
»Auf den freien Geist von Forschung und Wissenschaft, der uns dieses Erlebnis und so viel anderes beschert hat!«, sprach er dann einen feierlichen Toast aus.
»Und auf alle Abenteurer und Entdecker, die sich ins Unbekannte wagen!«, fügte Tobias rasch hinzu.
»Darauf will ich gern trinken!«
Sie stießen an und Tobias nahm einen kräftigen Schluck. Der Champagner prickelte herrlich im Mund und in der Kehle, und fast fühlte er sich so, als hätte er selbst eine Heldentat vollbracht. Er hätte gern noch ein zweites Glas getrunken, doch sein Onkel meinte, dass es nicht angebracht sei, sich ausgerechnet bei seiner ersten Ballonfahrt einen Rausch anzutrinken.
Das war auch gut so, denn schon nach dem einen Glas fühlte sich Tobias regelrecht beschwingt. Es war zwar Nacht um sie herum, aber dennoch war die Aussicht phantastisch. Sie sahen nicht nur den Ober-Olmer Wald und die Kirchturmspitze von Marienborn, sondern auch Mainz im Osten. Denn dort hoben sich mehrere helle Lichter vor der Dunkelheit ab.
»Das müssen die Laternen auf der Zitadelle sein!«, meinte sein Onkel. »Wir haben heute ein wenig Bewölkung, und wir wollen uns nicht beklagen, aber bei sternenklarer Nacht werden wir von hier aus
Mainz ganz deutlich sehen können.«
Dass sich das Gas im Falken abkühlte und der Ballon ganz langsam zu sinken begann, merkten sie, als sie etwa eine halbe Stunde in der Luft gewesen waren.
»Siebenundzwanzig Minuten«, stellte Heinrich Heller anhand seiner Taschenuhr fest. »Das ist nicht schlecht für die Menge Gas, die wir produziert haben. Nun gut, es geht also wieder gen Mutter Erde.« Er griff zur Laterne und gab Sadik und Jakob das verabredete Zeichen.
Die Seile strafften sich auch sofort, als hätte Sadik schon voller Ungeduld darauf gewartet, und gemächlich schwebten sie abwärts. Es war Tobias, als kehrte er ganz langsam aus einem aufregend schönen Traum in die Wirklichkeit zurück. Aus einem Traum, der jedoch viel zu kurz gewesen war.
Falkenhof wuchs aus der Dunkelheit, nahm mehr und mehr Konturen an, und bald konnten sie schon deutlich das Bretterpodest mit den vier jetzt weggeklappten Masten sehen, das für den Falken nun zum Landeplatz wurde. Ganz sanft setzte die Gondel auf.
Der erste, erfolgreiche Flug des Falken lag hinter ihnen.
Streit mit Jana
»Ihr wart gestern Nacht ja noch lange im Hof beschäftigt«, begrüßte ihn Jana, als er am späten Vormittag ihr Zimmer betrat. »Und ausgeschlafen siehst du auch nicht aus.«
»Ich bin ja auch erst nach vier ins Bett gekommen«, erklärte Tobias und brannte darauf, ihr von seinem Ballonflug zu erzählen. Er war so erfüllt von diesem Erlebnis, dass er kaum ruhig auf dem Stuhl sitzen konnte. Mit ihr jetzt darüber zu reden, war das, was er sich am allermeisten wünschte. Wen hatte er denn, dem er seine Gefühle und die Begeisterung schildern konnte?
Mit seinem Onkel darüber zu sprechen, war etwas anderes. Für ihn war er doch immer noch der Junge. Und Sadik wollte vom Ballonflug nichts wissen. Er hatte gestern beim Zusammenfalten des Falken tatkräftig geholfen, aber keinen Ton gesagt und sich auch nicht im Mindesten für das interessiert, was sie erlebt hatten. Jakob und der stumme Klemens kamen für ein Gespräch schon gar nicht in Frage, ebenso wenig Agnes und Lisette, die nur mit offenem Mund dagestanden und vor Staunen und Bewunderung kaum etwas Rechtes herausgebracht hatten.
Nur mit Jana hätte er das Aufregende des Ballonfluges richtig teilen können, doch ausgerechnet ihr durfte er davon kein Wort erzählen! Das wurmte ihn, und fast war er versucht, ihr unter dem Siegel der Verschwiegenheit doch alles zu erzählen. Aber konnte er Onkel Heinrich so in den Rücken fallen? Er glaubte zwar, Jana vertrauen zu können. Aber auch das änderte nichts daran, dass er damit sein Wort brach, das er seinem Onkel gegeben hatte. Und das konnte er nicht, sosehr es ihn auch danach drängte, sich ihr
Weitere Kostenlose Bücher