Falkenhof 01 - Im Zeichen des Falken
Mischungsverhältnis genau erklären.
»Wie lange wird es denn noch dauern, bis der Falke prall gefüllt ist?«
»Wenn sich meine Berechnungen als richtig erweisen, dürfte die Gasmenge schon in anderthalb Stunden ausreichend sein, um einen Fesselaufstieg zu ermöglichen«, erklärte er, während er mit seinem Neffen zum nächsten Fass ging und dort die Gasentwicklung kontrollierte. »Aber dann ist er noch nicht prall gefüllt.«
»Er hat dann also noch Beulen?«
Heinrich Heller lachte. »Nein, das nicht. Er wird sich schon zu seiner ganzen Pracht entfaltet haben. Aber das Gasvolumen im Innern würde nicht ausreichen, um einen langen Flug zu unternehmen. Dafür müsste man ihn wohl an die vier Stunden mit Gas füllen.«
»Da bin ich ja froh, dass ich nur noch anderthalb Stunden warten muss«, gab Tobias zu.
»Hätten wir einen Heißluftballon, wären wir jetzt schon in der Luft. Ein munteres Feuerchen unter der Öffnung, und zehn Minuten später kann man schon aufsteigen. Aber dafür sinkt er auch fast genauso schnell wieder. Mit einem gasgefüllten Ballon kann man dagegen lange in der Luft bleiben und auch weite Strecken zurücklegen.«
»Was nennst du weit, Onkel?«
»Nun, von hier nach Paris zum Beispiel.«
»So weit?«, rief Tobias erstaunt. »Aber das sind ja viele hundert Kilometer!«
»Ja, und nicht in zehn, fünfzehn unbequemen Tagesreisen mit der Kutsche zurückgelegt, sondern in derselben Anzahl von Stunden, mein Junge, bequem und herrlich am Himmel dahinschwebend! In der Luft liegt die Zukunft der Fortbewegung!«
»Aber eine Kutsche oder ein Pferd kann man dahin lenken, wo man es haben will«, wandte Tobias ein. »Einen Ballon dagegen nicht. Der ist doch Spielball der Winde.«
»Noch, mein Junge, noch! Eines Tages wird man auch dieses Problem lösen und ein Fluggerät konstruieren, das sich wie eine Kutsche lenken lässt«, versicherte Heinrich Heller. »Ich gebe zu, dass ich nicht weiß, nach welchem Prinzip das möglich sein wird, doch ich zweifle nicht daran. Vielleicht mit einer Art Dampfmaschine.«
»Na, das klingt aber eher nach einem von Sadiks arabischen Märchen«, meinte Tobias skeptisch.
»Früher hat man es auch für ein Märchen gehalten, dass Schiffe eines Tages einmal völlig ohne Segel die Meere befahren und jeden beliebigen Kurs einschlagen können. Die Dampfmaschine hat dieses Märchen Wirklichkeit werden lassen. Warum soll das also nicht mit Fluggeräten auch möglich sein? Der menschliche Erfindungsgeist ist grenzenlos. Schade nur, dass ich das wohl nicht mehr erleben werde.«
Der Falke begann sich allmählich aufzublähen und Rundungen anzunehmen. Der Pol stieg langsam auf und wölbte sich über den Masten zu einer schwarzen Kuppel. Und auch der Falkenkopf, der anfangs mehr einem gerupften Huhn als einem Raubvogel geähnelt hatte, breitete sich nun zu stolzer Größe aus. Die seidigen Bahnen des Ballons verloren ihre unzähligen Falten, glätteten sich und drückten das Netz auseinander, das bis dahin wie ein Vorhang wirrer Leinen heruntergehangen hatte.
Und je mehr der Ballon anschwoll, desto mehr schwoll auch der Stolz in Tobias’ Brust. Es war ein wunderbarer, atemberaubender Ballon, wie er da so zwischen den Masten aufragte. Wie eine Blume im Sonnenlicht, so hatte der Falke sich unter dem einströmenden Gas entfaltet, und seine ganze Pracht und Schönheit waren jetzt zu sehen.
Er war so stolz und aufgeregt, dass er wünschte, Jana könnte jetzt an seiner Seite stehen und mit ihm diesen erhabenen Anblick erleben.
Endlich gab Heinrich Heller die Anweisung, die Gaszufuhr zu unterbrechen. Die Rohre wurden aus den Stutzen der Fässer gezogen und die Öffnungen abgedichtet. Als das Podest freigeräumt war, wurde die Gondel ans Netz gehängt. Sie bestand aus einer Konstruktion leichter, jedoch stabiler Hölzer, um die dicht an dicht Hanfseile geflochten waren.
An den dafür vorgesehenen, besonders kräftigen Leinen des Netzes, das den Ballon überspannte, wurden anschließend die beiden Seile befestigt, die den Falken daran hindern sollten, unkontrolliert in die Luft aufzusteigen und in die Nacht davonzuschweben.
Tobias konnte seine Aufregung und Ungeduld kaum noch bezähmen, je näher der Moment des Starts rückte. Sein Onkel eilte noch einmal ins Haus, weil er vergessen hatte, sein Fernrohr zu den anderen Messinstrumenten in die Gondel zu stellen.
Mitternacht lag schon eine Stunde zurück, als es dann endlich so weit war. Auf Heinrich Hellers Kommando hin wurden
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