Falkenhof 02 - Auf der Spur des Falken
Nähe der Landstraße von Jana getrennt hatten, hatten die beiden großen Lampen rechts und links der Zufahrt zum Gasthof sowie die Laternen über der Tür gebrannt. Der Schein der Laternen hob den gesamten Vorplatz aus der Dunkelheit.
Bis zu diesem Moment hatte Tobias insgeheim große Zweifel an Sadiks Verdacht gehegt, dass Zeppenfeld mit seinen Komplizen in diesem Haus dort auf der Lauer lag. Der auf dem Teich treibende Kahn und die achtlos liegen gelassene Axt hatten ihn nicht überzeugt, sondern bestenfalls verunsichert. Als er jedoch den hellen
Lichterschein gesehen hatte, waren seine letzten Zweifel augenblicklich verflogen. Und ihm war ein Schauer durch den Körper gefahren, als er daran gedacht hatte, dass er beinahe blindlings in die Falle getappt wäre. Und der Gasthof Zur Goldenen Gans war eine Falle, das wusste er jetzt!
Sie hatten in Furtwipper nämlich noch einmal über den Gasthof und seinen Patron Erkundigungen eingezogen, weil sie wissen wollten, wie viele Personen Zeppenfeld neben Jakob Weinroth möglicherweise in seiner Gewalt hielt. Dass Sadik sich um die verunglückte Tochter des Wirtes gekümmert und ihr schmerzlindernde Mittel verabreicht hatte, hatte sich dabei als sehr hilfreich erwiesen. Denn der Vater des Mädchens hatte sich daraufhin nicht nur überaus dankbar, sondern auch sehr gesprächig gezeigt. Von ihm hatten sie erfahren, dass Vierfinger-Jacques den abgelegenen Gasthof allein mit seiner Frau Helga führte. Sie hätten zwar ihr Auskommen, zumal er von Natur aus sparsam sei und mit seiner Gänsezucht eine glückliche Hand beweise, doch die Zahl seiner Logiergäste halte sich zu sehr in Grenzen, als dass eine zusätzliche Kraft nötig wäre. Wer aus Frankreich kam und die Grenze bei Einbruch der Dunkelheit erreichte, übernachtete verständlicherweise in Straßburg. Wer diesseits der Grenze gegen Abend eintraf und es nicht mehr über die Brücke schaffte, blieb dagegen in Furtwipper. Nein, große Geschäfte mit Durchreisenden machte Vierfinger-Jacques nicht.
Und ein Mann, der von Natur aus sparsam war und wusste, dass nach Einbruch der Dunkelheit mit Logiergästen nicht mehr zu rechnen war, würde den Teufel tun, die Lampen vor dem Haus unnütz brennen zu lassen. Die einzig logische Erklärung dafür hieß: Zeppenfeld!
»Sicher, ein Gasthof ohne Zeppenfeld und ohne Gäste wäre auch mir lieber. Aber wem das Fleisch entgangen ist, zeigt sich dankbar für die Brühe!«, erwiderte Sadik spöttisch. »Was in unserer Situation bedeutet, dass ich über das Licht im hinteren Schankraum sehr dankbar bin.«
»Wie bitte?«, fragte Tobias verständnislos. »Ich weiß wirklich nicht, was daran gut sein soll. Irgendjemand hält sich da hinten in dem Raum auf, der zur Wiese rausgeht …«
»Ja, womöglich einer von Zeppenfelds Männern oder gar er selber«, pflichtete ihm Sadik gelassen bei.
»Richtig! Und das erschwert unser Vorhaben uns unbemerkt anzuschleichen doch noch mehr!«
»Du irrst, mein Freund«, widersprach Sadik mit geflüsterter Belustigung. »Hast du schon mal aus einem hellen Raum in die Dunkelheit geschaut?«
»Ja, schon …«
»Aber nicht bewusst, denn dann wüsstest du, dass du nicht viel erkennen kannst. Die Helligkeit um dich herum beeinträchtigt dein Sehvermögen so sehr, dass du nicht viel weiter zu sehen vermagst, wie der Lichtschein in die Dunkelheit reicht«, erklärte Sadik. »Du musst in einem dunklen Zimmer sitzen, wenn du etwas in der Dunkelheit draußen frühzeitig erkennen willst. Da dem nicht so ist, nehme ich an, dass auch Zeppenfeld auf die Wachsamkeit der Gänse vertraut und der Rückfront des Gasthofes wenig Beachtung schenkt.«
Tobias war verblüfft. »Natürlich! Das hatte ich wirklich vergessen.«
»Das habe ich bemerkt«, sagte Sadik trocken. »So, und nun lass uns an die Arbeit gehen, sonst sind wir nicht fertig, wenn Jana auf der Landstraße auftaucht.«
Neben ihnen im Gras lagen ihre Waffen sowie drei Säcke, die sie aufbanden. Ein kleines Fass Branntwein rollte aus dem ersten Sack. Im zweiten befanden sich vier strohumwickelte Holzeimer. Aus dem dritten holten sie sechs Laibe Brot. Während Sadik zum Messer griff, den Korken aus dem Spundloch zog und einen der Wassereimer zu einem Drittel mit dem hochprozentigen Alkohol füllte, schnitt Tobias schon ein Brot auf, riss den weichen Teig heraus und warf ihn in den Branntwein.
»Und du bist sicher, dass die Gänse dieses Branntweinbrot auch fressen?«, fragte er skeptisch.
»Warum sollten sie
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