Falkenhof 02 - Auf der Spur des Falken
gewesen! Männer wie Zeppenfeld, das hatte Onkel Heinrich ihn gelehrt, durften nicht über Recht und Menschlichkeit triumphieren! Man musste standhaft bleiben und für sein Recht eintreten, wenn man nicht wollte, dass Gerechtigkeit und Freiheit unter die Räder von Gewalt und Willkür gerieten – und dieser Gewalt durfte man sich nicht beugen, egal ob sie sich in Gestalt eines Fürsten oder eines Mannes wie Zeppenfeld zeigte!
»Was wir brauchen, ist ein Vorsprung von mehreren Tagen um lange vor ihm in Paris bei Monsieur Roland zu sein«, fuhr Sadik leise fort. »Sihdi Heinrich hat uns versichert, dass Vierfinger-Jacques ein aufrechter, verlässlicher Freund ist. Wir können also davon ausgehen, dass er uns helfen wird, Zeppenfeld und seine Komplizen auf irgendeine Weise für ein paar Tage festzuhalten. Es muss ja nicht unbedingt hier im Gasthof sein, denn sein Leben und das seiner Frau möchte ich nicht in Gefahr bringen. Aber irgendetwas wird uns gewiss einfallen – wenn die Vorbedingungen dafür geschaffen sind.«
Tobias begriff, was das bedeutete. »Wir müssen es also riskieren und versuchen Stenz, Tillmann und Valdek zu überwältigen, nicht wahr?«
Sadik nickte. »Aiwa, wir müssen diesmal alles auf eine Karte setzen, mein Junge. Sonst können wir Zeppenfeld gleich mit dem Falkenstock laufen lassen. Das ist natürlich auch eine Möglichkeit …« Er hob fragend die Augenbrauen.
»Das kommt gar nicht in Frage!«
Sadik lächelte. »Das dachte ich mir. Und ich gebe zu, ich hätte nicht anders entschieden. So, und nun wollen wir überlegen, wie wir sie am besten überrumpeln können.«
Tobias’ Blick war auf Zeppenfelds Kleider und Hut gefallen, die neben der Tür hingen, und da hatte er eine Idee.
»Ich habe in etwa Zeppenfelds Größe. Wenn ich seine Sachen anziehe und mein Gesicht unter dem Hut da verberge, werden sie mich im ersten Moment für ihn halten, wenn ich die Treppe hinuntergehe«, sprudelte er aufgeregt hervor. »Und unter seinem Umhang kann ich mein Florett gut verbergen. Auf jeden Fall werden wir ein paar kostbare Sekunden gewinnen.«
Sadik nickte. »Zieh seine Sachen an, dann sehen wir, ob du in der Verkleidung eine Chance hast auf den ersten Blick als Zeppenfeld durchzugehen.«
Zeppenfelds Kleider passten Tobias zwar nicht wie angegossen, saßen aber passabel genug. Wichtig war nur, dass er sein Florett unter dem Umhang verstecken konnte und der Hut sein Gesicht in Dunkelheit tauchte. Für sie von Vorteil war zudem die Tatsache, dass die Treppe nicht im Lichtkreis der Lampe lag, denn die stand auf der anderen Seite des Schankraums auf dem Tisch, an dem Stenz und Tillmann Karten spielten.
»Bei Allah und seinem Propheten, im Halbdunkel könnte man dich in diesem Aufzug tatsächlich für Zeppenfeld halten«, sagte Sadik leise, aber begeistert, als Tobias in den fremden Kleidern vor ihm stand.
»Werde mein Bestes geben!«, imitierte Tobias den knappen Redestil ihres gefährlichen Gegenspielers. »Können sich auf mich verlassen, Kameltreiber!«
Sadik grinste und griff sich Zeppenfelds Säbel, den er samt Gürtel an eine Stuhllehne gehängt hatte, und zog ihn blank. »Pass auf, du kümmerst dich um die beiden am Tisch und hältst sie in Schach. Ich denke, das schaffst du ganz gut allein.«
»Worauf du dich verlassen kannst!«, versicherte Tobias mit grimmiger Entschlossenheit.
»Sowie du den Treppenabsatz unten erreicht hast, springe ich von oben über das Geländer und stürze in das Zimmer, wo sich Valdek hingelegt hat«, sagte Sadik. »Der Überraschungsmoment ist auf unserer Seite und sollte reichen sie zu überrumpeln, bevor ein richtiger Kampf entbrennt.«
»Von mir aus können sie den ruhig haben!«
»Nicht so hitzig, mein Freund! Und jetzt los!«
Sadik öffnete vorsichtig die Tür und sie schlichen auf den Flur hinaus, Tobias voran. Kurz vor der Treppe blieben sie einen Moment stehen und lauschten hinunter in den Schankraum.
Stenz und Tillmann schienen sich in die Wolle geraten zu sein, denn ihre Stimmen drangen erregt ins Obergeschoss.
»Mann, schon wieder ziehst du Dame und König hintereinander aus dem Ärmel!«
»Hab’ eben die besseren Karten, Stenz!«
»Die hast du für meinen Geschmack ein bisschen zu häufig, und merkwürdigerweise immer dann, wenn wir um Geld spielen. Da steigt mir was ganz faul in die Nase.«
»Was willst du damit sagen?«, schnappte Tillmann.
Sadik stieß Tobias an. »Los, runter, bevor dieser Valdek sein Zimmer verlässt, um sich in den
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