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Falkenhof 02 - Auf der Spur des Falken

Falkenhof 02 - Auf der Spur des Falken

Titel: Falkenhof 02 - Auf der Spur des Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schröder
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und wollte nun wissen, wie sie auf dem schnellsten Weg zur Seine und über den Fluss gelangen konnten.
    Der Händler wich einem ambulanten Geflügelhändler mit seinem vergitterten Hühnerkarren und einer Brotausträgerin mit weißer Schürze und Häubchen aus, die einen Brotwagen aus Weidengeflecht vor sich herschob.
    »Der kürzeste Weg zur Seine wäre die Rue Feibert zwei Straßen weiter links. Aber die Gasse ist so elend schmal und die Prellsteine stehen vor den Häusern so weit vor, dass ihr mit eurem Wohnwagen kaum durchkommen werdet. Also müsst ihr einen Bogen fahren, weil die Straße hier jenseits der Rue Feibert gesperrt ist.« Er schüttelte grimmig den Kopf. »Da ist gestern der Abwasserkanal aufgerissen worden, weil er verstopft war. Irgendwelche faulen Mistkerle haben sich weiter oberhalb auf die billige Methode ihren Bauschutt vom Hals geschafft. Das hat zu einer schönen Sauerei
    Tobias hätte nicht weit zu suchen brauchen um etwas zu finden, was den Namen ›Sauerei‹ verdiente. Da bedurfte es nicht dieses Abwasserkanals und auch nicht des Fäkalienschlammes in der Rinne mitten auf der Straße. Die Tonne neben dem Ladeneingang mit den fauligen Abfällen, in denen gerade ein Bettler nach Essbarem herumwühlte, hätte ihm schon gereicht. Doch das behielt er klugerweise für sich.
    »Es scheint gar nicht so einfach zu sein, von hier aus zur Seine zu kommen«, sagte er.
    Der Mann lachte und zeigte dabei faulige Zähne. »Ach, das erscheint einem nur so verwirrend, wenn man fremd in der Stadt ist und sich noch nicht auskennt. Das gibt sich schon.«
    Tobias hatte nicht vor, so lange in dieser Stadt zu bleiben, bis er sich in ihrem Straßenlabyrinth problemlos zurechtfand. Er wusste schon jetzt, dass er Paris so schnell wie möglich den Rücken kehren würde – nämlich sowie er wusste, was Wattendorf Monsieur Roland geschickt hatte und was es mit dem ›Schlüssel der inneren Pforten‹ auf sich hatte. Sollte er ihm Wattendorfs Geschenk gar überlassen, konnten sie womöglich schon nach einigen Tagen Höflichkeitsaufenthalt wieder verschwinden.
    Und das Ziel, das sie dann einschlagen würden, stand für ihn schon jetzt fest: der Ärmelkanal! England!
    »Ihr werdet schon zum Fluss gelangen, keine Sorge. Ihr müsst nur die erste Abzweigung links hinter der gesperrten Straße nehmen. Das ist die Rue de la Galette, auch ein schmales Gässchen, aber noch breit genug für euch. Die bringt euch auf die Rue Saint Denis. Wenn ihr euch dort links haltet, stoßt ihr zum Quai de Gevres und zum Pont au Change. Die Brücke führt euch auf die Ile de la Cite hinüber.«
    »Ist das nicht die Insel mitten in der Seine?«
    »Richtig. Aber wie ihr von da die Druckerei des Le Patriote findet, müsst ihr einen anderen fragen. So weit reicht meine Kundschaft nun wirklich nicht«, scherzte er.
    Tobias wollte sich gerade bedanken und zu Jana und Sadik zurückkehren, als ihn eine grelle Sonnenreflexion schmerzhaft in die Augen traf und er unwillkürlich die rechte Hand schützend vors Gesicht hob, in der er noch die Geldbörse hielt.
    Im selben Augenblick registrierte er neben sich eine Gestalt, die nach seiner erhobenen Hand griff und ihm die Geldbörse entriss.
    Geistesgegenwärtig fuhr Tobias herum und ließ dabei die dicke Melone fallen, die er sich unter den linken Arm geklemmt hatte. Und dieser Frucht verdankte er es, dass dem Dieb nicht die Flucht mit seiner Beute gelang. Die Melone rollte dem Halbwüchsigen nämlich zwischen die Beine und brachte ihn zu Fall. Er schlug der Länge nach hin.
    Tobias war sofort bei ihm und zerrte ihn hoch. »Das hast du dir wohl so gedacht!«, rief er wütend. »Los, her mit meiner Geldbörse!«
    Bevor der jugendliche Dieb, kaum älter als zwölf und barfüßig, reagieren konnte, trat ein merkwürdig aussehender junger Mann zu ihnen. Er mochte etwas älter als Tobias sein, hatte dunkles, krauses Haar und trug eine Augenklappe aus braunem, speckigem Leder über dem rechten Auge. Ein dünner, verschlissener Umhang hing um seine schmalen Schultern. Er entriss dem verstört dreinblickenden Dieb den Geldbeutel und warf ihn Tobias zu, der den Dieb unwillkürlich freigab um die Geldbörse aufzufangen, völlig überrascht vom Eingreifen dieser seltsamen Gestalt.
    Der junge Mann gab dem Dieb eine schallende Ohrfeige und versetzte ihm einen groben Tritt, während er ihm gleichzeitig wüste Beschimpfungen an den Kopf warf. »Mach bloß, dass du verschwindest, du Scheißkerl!«, schrie er ihn an.

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