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Falkenhof 02 - Auf der Spur des Falken

Falkenhof 02 - Auf der Spur des Falken

Titel: Falkenhof 02 - Auf der Spur des Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schröder
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mit zwei gesunden Armen eine riskante Sache, denn wenn du dabei erwischt wirst, fackeln sie nicht lange mit dir. So ein Ausflug kann schnell damit enden, dass man mit zerschmettertem Körper auf dem Straßenpflaster landet. Habe zwei gekannt, die nachts vom Dach in den Tod gestürzt sind. Aber mich haben sie nie erwischt, obwohl es manchmal schon höllisch knapp war«, erzählte er mit deutlichem Stolz in der Stimme. »Fast ein Jahr habe ich gebraucht, um die Summe zusammenzubekommen, die der alte Dupin für die Prothese verlangt hat. Dann habe ich die Finger davon gelassen.« Er betrachtete das hölzerne Ende seines linken Armes und zog eine Grimasse. »Nicht gerade eine Luxusausführung, nicht wahr? Aber ich komm’ mit dem Ding wirklich ganz ordentlich zurecht, wie ich schon sagte.«
    Kurz darauf traten Sadik und Jana aus dem Haus. Tobias war froh, dass es nun endlich losging, und sie brachen zu Fuß auf.
    Die krassen Gegensätze, die das Leben dieser Stadt bestimmten, wurden ihnen jetzt noch nachdrücklicher bewusst als vor wenigen Stunden, als sie mit dem Wagen durch die Straßen gefahren waren. Wie konnte man es verstehen, dass zwischen engen, dunklen Gassen geradezu herrschaftliche Paläste standen? Hier ragten Häuser mit prunkvoller Fassade sieben Stockwerke in die Höhe, während sich daneben eines mit nur zwei Etagen duckte. Tobias glaubte seinen Augen nicht zu trauen, als sein Blick in eine schmale Straße fiel, in der ein abgestochenes Schwein auf dem Pflaster lag und von zwei Männern abgesengt wurde. Zehn Schritte weiter gingen sie an einer mit Marmor ausgelegten Passage vorbei.
    Welche Gegensätze!
    Als sie wieder auf das andere Seine-Ufer gelangten, wies Gaspard auf die herrlichen Laternen vor einem prächtigen Theaterbau hin: »Das sind Gasleuchten!«, verkündete er stolz.
    »Gas?«, fragte Jana verwundert.
    »Ja. Sie haben ein ganz anderes Licht, das viel heller ist als all die anderen Laternen. Es gibt noch viele andere Bauten und Plätze in der
    Stadt, wo solche Gaslaternen stehen. Wenn sie brennen, kann man es richtig summen und zischen hören.«
    »Leuchtgas!«, erinnerte sich Tobias. Onkel Heinrich hatte ihm mal davon erzählt. Es war ein Franzose, der das erfunden hatte. Doch ihren Durchbruch hatte diese technische Neuerung zuerst in London gefunden, wo das Gaslicht schon seit vielen Jahren als Beleuchtung von Straßen und Plätzen Verwendung fand.
    Als sie sich in Richtung Louvre wandten, sah Tobias noch etwas anderes zum ersten Mal in seinem Leben. Große Karossen, die von zwei Pferden gezogen wurden und zwischen zwölf und zwanzig Passagieren Platz boten. Wie Gaspard ihnen erzählte, verkehrten diese Kutschen auf festgelegten Strecken innerhalb der Stadt. Es gab eine ganze Reihe von Unternehmen, die sich auf diesen innerstädtischen Massentransport von Fahrgästen spezialisiert hatten. Da gab es die Linien Dames-Blanches, Favorites, Parisiennes und andere mehr. Der Einheitstarif von fünfundzwanzig Centimes erlaubte es auch den weniger Begüterten, die sich weder ein eigenes Gefährt noch eine Mietdroschke leisten konnten, ein solch bequemes und verhältnismäßig preiswertes Transportmittel in Anspruch zu nehmen.
    Ihr Weg führte sie am imposanten Gebäudekomplex des Louvre vorbei. Wie auf fast allen freien Plätzen der Stadt waren auch hier Marktstände und Händler aller Art anzutreffen.
    Dann rief Gaspard: »Da drüben ist es! Das Palais Royal!« Sie überquerten die Straße und gelangten zu einer breiten Eingangspassage, die von Säulen eingefasst war. Zwei Männer in farbenprächtigen Livreen standen zu beiden Seiten des Portals.
    »Ich warte hier draußen auf euch«, sagte Gaspard und lehnte sich gegen eine Straßenlaterne.
    Jana sah ihn verwundert an. »Aber warum willst du denn nicht mitkommen?«
    »Ganz einfach: Weil man mich nicht reinlassen würde. Seht ihr die beiden Livrierten am Eingang? Die passen auf, dass sich ja kein Straßenjunge, Bettler oder sonst eine ärmlich gekleidete Gestalt unter die Leute im Palais Royal mischt. Unsereins hat da nichts verloren. Noch nicht einmal die Lieferanten dürfen hier hindurch. Sie müssen die Geschäfte über die rückwärtigen Straßen beliefern.«
    Tobias ersparte sich die Bemerkung, dass er dieses Verbot für ein schändliches Unrecht an der einfachen Bevölkerung hielt. Er hatte an diesem Tag schon so vieles gesehen, was ihn mit Zorn und Abscheu erfüllte. Und am liebsten wäre er wieder umgekehrt. Doch sie mussten ja Horace

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