Falkenhof 02 - Auf der Spur des Falken
dass Tobias Sadik an seiner Seite hatte. Der Mohammedaner war an ein Leben voller Gefahren gewöhnt und zudem noch genauso schnell im Kopf wie mit seinen Messern, die er meisterlich zu werfen verstand. Das nahm seiner Angst um Tobias die sonst unerträgliche Schärfe. Dennoch blieb genug, um ihm beim Gedanken an die Gefahr, in der die beiden schwebten einen kalten Schauer über den Rücken zu jagen. Denn dass Zeppenfeld und seine gedungenen Schurken sie verfolgen würden, stand außer Frage.
Wo Tobias und Sadik jetzt wohl waren?
ZWEITES BUCH
Abenteuer der Landstraße
Mai-Juni 1830
Eine ungewöhnliche Einladung
Wie sturmzerzauste Wolken jagten sich die wilden Bilder in Tobias’ Träumen. Noch einmal durchlebte er den riskanten Start vom Falkenhof, sah die Feuerzungen aus den Musketenläufen nach ihm greifen und hörte das Krachen der Blitze, als der Ballon in ein schweres Unwetter geriet und dahintaumelte wie ein Korken auf rauher See, während Sadik mit monotoner Stimme wie in Trance eine Koransure nach der anderen betete.
Aber in seinem Traum tauchten auch Bilder auf, die nichts mit der nächtlichen Sturmfahrt zu tun hatten. So sah er Zeppenfeld, Stenz und Tillmann, die ihn in die Hütte des Köhlers verschleppten. Dann färbte ihr Blut seine Klinge. Er sprang aufs Pferd und ritt wie von Furien gehetzt. Das Landgut konnte er schon sehen, doch sosehr er Astor auch antrieb, Falkenhof rückte nicht näher. Schon spürte er den Atem seiner Verfolger im Nacken, hörte Zeppenfelds höhnisches Lachen und glaubte sich verloren, da schwebte plötzlich ein riesiges magisches Auge vor ihm auf der Landstraße, das ihn merkwürdigerweise nicht ängstigte. Wie ein Zaubertor verschluckte es ihn und sein Pferd – und im nächsten Moment befand er sich innerhalb der Mauern des Gevierts und Jana lächelte ihn beruhigend an, während sich das Sonnenlicht in ihren tiefschwarzen Haaren fing. Hinter ihr stand ihr buntbemalter Gauklerwagen, mit dem sie durch die Lande zog. Auf dem Kutschbock lagen ihre Tarotkarten. Ein Windstoß wirbelte sie auf einmal hoch. Jana fing eine der Karten auf und hielt sie ihm hin.
Es war die Karte Zehn der Schwerter.
Das Symbol des Untergangs!
Er erschrak und streckte seine Hand aus um die Karte abzudecken. Doch kaum berührten sich ihre Hände, da löste sich Jana vor seinen Augen auf. Er rief nach ihr und plötzlich war es wieder Nacht. Der Ballon, längst von allem Ballast befreit, trieb über den dunklen Spiegel eines Sees. Noch einmal hob er sich ein paar Meter in die Lüfte und erreichte den Wald am Seeufer, dann brach die Gondel durch das Geäst der Baumwipfel. Zweige brachen, während Seide und Taft zu Fetzen gingen. Die Gondel neigte sich und der Ebenholzstock mit dem silbernen Falkenkopf als Knauf rutschte über den Rand.
Voller Entsetzen griff er nach dem Stock. Ohne ihn waren sie verloren! Auch sein Onkel war ohne ihn zu ewigem Kerker verdammt! Und er würde Jana nie Wiedersehen, wenn er ihn verlor! Der Falkenstock garantierte ihnen Freiheit und Leben und die Erfüllung all ihrer Wünsche!
Augenblicklich warf er sich nach vorn um ihn zu fassen. Doch er entglitt seinen Händen und stürzte in die Tiefe. Obwohl die Nacht pechschwarz war, sah er jedoch ganz deutlich, wie der Stock fiel und fiel und immer kleiner wurde, während der Abgrund kein Ende nehmen wollte.
Er wollte schreien, doch er bekam kein Wort heraus, denn sein Mund war plötzlich voll Wasser, das ihn zu ersticken drohte …
Tobias hatte sich im Schlaf auf die Seite gedreht und war mit dem Kopf mitten in eine Regenpfütze geraten. Sofort war er wach. Mit angewidertem Gesicht spuckte er den Rest schlammigen Wassers aus, das ihm in den Mund gedrungen war, und richtete sich mit einem unterdrückten Stöhnen auf. Sein Nacken, sein Rücken, seine Arme – alles schmerzte.
Im ersten Moment wusste er nicht, wo er sich befand und warum er irgendwo auf regenfeuchter Erde gelegen hatte. Doch dann setzte die Erinnerung wieder ein.
Die Flucht mit dem Ballon!
Nach mehreren Stunden Sturmfahrt bei wechselhaften Winden waren sie irgendwo in der Nähe eines Sees niedergegangen. Sie hatten sich aus der Baumkrone, wo der Falke gelandet war, abgeseilt und sich zu Fuß auf die Suche nach einem Lagerplatz gemacht, wo sie die Nacht vor Wind und Wetter geschützt verbringen konnten. Mehrere Stunden waren sie bei strömendem Regen und mit knurrendem Magen marschiert, ohne jedoch auf eine Ansiedlung oder zumindest
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