Falkenhof 02 - Auf der Spur des Falken
täglich in ihnen«, half er ihm auf die Sprünge.
Verwundert sah Tobias ihn an. »Wie bitte? Oh!« Er schlug sich mit der flachen Hand lachend vor die Stirn. »Sag bloß, damit sind Schuhe gemeint!?«
»Du hast es erraten.«
»Da hast du mir aber ein reichlich verdrehtes Rätsel aufgegeben.«
»Wer in solchen Bildern zu denken gewohnt ist, sieht das anders, Tobias. Wir Beduinen lieben nun mal diese Art Geschichten, die sich einem nicht auf den ersten Blick offenbaren.«
»Versuch es mit einem anderen Rätsel«, forderte ihn Tobias auf.
»Ein Tuch, ohne Faden gewebt, besiegt Türken und Sultan.«
»Der Schlaf!«, kam es wie aus der Pistole geschossen. »Das kannte ich schon.«
Doch Sadik kannte noch tausendundein Rätsel, und Tobias hegte die feste Überzeugung, dass viele davon in dem Moment in seinem Kopf geboren wurden, in dem er zu sprechen begann.
Nach gut zwei Stunden mühsamen Marschierens trafen sie endlich auf den ersten Hof. Es war ein stattliches Anwesen mit mehreren Nebengebäuden. Kein armer Mann, dem dieser Hof gehörte!
Sie verließen die Landstraße und folgten dem sandigen Weg, der zum Hof führte. Doch sie gelangten nicht weit. Ein bulliger Mann mit einer dreigezackten Heugabel in den Pranken trat aus der Scheune, musterte sie mit zusammengekniffenen Augen und ging ihnen dann in drohender Haltung entgegen.
»Verschwindet von meinem Grund!«, schrie er ihnen zu. »Ich dulde keine Vagabunden und Bittsteller auf meinem Hof! Ich gebe nichts! Versucht es mit ehrlicher Arbeit! Und jetzt verschwindet, bevor ich euch Beine mache!«
»Wir haben Geld!«, rief Tobias.
»So siehst du auch aus!«, tönte es höhnisch zurück.
Da sie nicht wussten, wohin der Sturm sie letzte Nacht getrieben hatte, wollte er zumindest nach dem Namen der Region fragen, in der sie sich befanden. »Können Sie uns denn wenigstens sagen …«
Weiter kam er nicht, denn sofort fiel ihm der Bauer ins Wort. »Verschwindet! Auf der Stelle, oder ihr werdet mich kennen lernen! Ihr müsst fremd hier sein, sonst würdet ihr nicht wagen meinen Hof zu betreten! Anton! Hannes! Carl!«
»Komm, bloß zurück zur Landstraße. Streite niemals mit einem, der dir zwei gute Mahlzeiten voraus ist. Wir können uns Ärger jetzt nicht erlauben!«, drängte Sadik und kehrte rasch um. »Dem steigt das Blut zu schnell in den Kopf, als dass es sinnvoll wäre, mit ihm ein vernünftiges Wort wechseln zu wollen. Der droht die Prügel nicht nur an.«
»Cholerischer Bauernschädel!«, zürnte Tobias, hielt aber mit Sadik Schritt, nicht nur wegen der Truhe, die sie zwischen sich trugen. »Dabei hätte ich ihm für jedes Brot und jedes Ei mit Freuden den dreifachen Preis gezahlt!«
»Und hättest dich damit so verdächtig gemacht, dass man uns im nächsten größeren Ort gleich festgehalten hätte«, sagte Sadik. »Nein, du wirst dich hübsch von der geizigen Seite zeigen und feilschen, was das Zeug hält, wieviel Geld dir Sihdi Heinrich auch mitgegeben hat! Ein ehrlicher Mann handelt auf dem Land noch um ein Kupferstück. Nur der Gauner wirft achtlos mit dem Geld um sich. So denken die Leute nun mal.«
»Ob geizig oder großzügig, mir soll alles recht sein, wenn wir nur endlich irgendwo etwas kaufen können«, sagte Tobias verdrossen.
»Mir ist schon ganz schlecht vor Hunger.«
»Ich gebe zu, dass auch ich schon mal ein besseres Gefühl im Magen gehabt habe als jetzt«, sagte Sadik seufzend.
Tobias dachte nur ans Essen, während sie wieder auf der Landstraße waren und sich mit der Truhe abschleppten. Kein Reiter, kein Fuhrwerk war zu sehen.
»Ich habe noch ein Rätsel«, sagte Sadik beiläufig. »Etwas enthält zwei Flüssigkeiten, doch beide sind unvermischt.«
»Das ist gemein!«, rief Tobias.
»Wieso?« Sadiks Mund verzog sich unter dem durchschwitzten Verband spöttisch.
»Das ist ein Ei!«
Sadik lachte. »Sehr gut. Du machst Fortschritte. Offenbar regt der Hunger deine Phantasie an. Mal sehen, wie weit. Hier ist noch eins: Die Mutter wird zum Schlachten gebracht, aber ihre Haut wird nicht abgezogen. Der Tochter wird die Haut entfernt, aber sie wird nicht geschlachtet. Na, was fällt dir dazu ein?«
»Gar nichts.«
»Denk nach.«
Tobias sah ihn missmutig von der Seite an. »Hat es was mit Essen zu tun?«
»Hat nicht alles, was uns derzeit durch den Kopf geht, mit Essen zu tun?«, fragte der Araber zurück.
»Du bist ein Schuft! Ich wollte gerade nicht daran denken! Und jetzt muss ich über Essen nachdenken um dieses blöde
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