Falkenhof 02 - Auf der Spur des Falken
verschenkt.
Mit den frischen Pferden ging es spürbar flotter voran. Sie ritten erneut bis tief in die Nacht und mieden die Gasthöfe entlang des Weges. Ihr Nachtlager schlugen sie wieder im Wald auf. Tobias war es gleich – solange er nur aus dem Sattel kam und sich irgendwo ausstrecken konnte. Er schlief augenblicklich ein.
Der folgende Tag glich dem vorangegangenen wie ein Ei dem anderen. Wieder zahlten sie am frühen Mittag in einem größeren Dorf für frische Pferde einen gesalzenen Aufpreis. Und wieder verbrachten sie die Hälfte der Nacht auf der Landstraße und die andere Hälfte auf einer einsamen Waldlichtung in einem totenähnlichen Schlaf.
»Wie lange willst du uns diese Tortur noch zumuten?«, wollte
Tobias am nächsten Morgen wissen, als sie mit steifen Fingern die Pferde sattelten.
»Bis wir über den Rhein sind – und mit Allahs Hilfe kann uns das diese Nacht gelingen.«
Allah mochte es so gerichtet haben, doch Jakob Bassermann, der sie dann im Schutze der Nacht über den breiten Strom brachte, hatte von Allah mit Sicherheit noch nie etwas gehört.
Jakob Bassermann war Fischer, ein hagerer Mann mit borstigem Schnurrbart, hoher Stirn, schwarzgrauem Haarzopf und einem zerfurchten Gesicht.
Sie hatten den Rhein einige Kilometer südlich von Mannheim erreicht und waren im warmen Licht des Nachmittags gemächlich flussaufwärts geritten – auf der Suche nach einer Möglichkeit den Strom fernab der normalen Fährdienste und Kontrollen überqueren zu können.
Es war Tobias, der den Mast des kleinen Fischerbootes hinter dichten blühenden Ufersträuchern bemerkte. Sie führten ihre Pferde den sanft geneigten Hang hinunter und fanden nach kurzer Suche schließlich eine Stelle, wo die Büsche eine genügend breite Lücke ließen um direkt ans Wasser zu gelangen. Dort stießen sie auf Jakob Bassermann. Er saß allein in seinem Boot und war sehr verdrießlicher Laune, als sie ihn ansprachen, was verständlich war, denn er hatte in Ufernähe gefischt und sein Netz an einem Hindernis unter Wasser beschädigt.
Anfangs bekundete er wenig Interesse sie über den Rhein zu bringen. »Bin Fischer und kein Fährkutscher«, brummte er. »Geht zum Höller, der ist mit seinem Schiff für Pferd und Wagen gut gerüstet. Bei Jakob Bassermann könnt ihr euer Geld allein für frischen Fisch loswerden – und heute noch nicht mal dafür.«
»Uns ist ein Fischer wie Sie lieber«, sagte Tobias. Der Fischer zuckte mit den Achseln. »Soll euch unbelassen bleiben. Nur habe ich Wichtigeres zu tun, als mich jetzt in die Riemen zu legen und euch über den Fluss zu bringen.«
»Wir haben auch nicht vor jetzt überzusetzen«, griff Sadik in das Gespräch ein.
Den Fischer interessierte diese Einlassung so wenig, dass er noch nicht einmal fragte, wann sie denn vorhätten über den Rhein zu setzen.
Deshalb fuhr Sadik fort: »Wir möchten so gegen zwei, drei in der Nacht ans andere Ufer hinüber.«
Nun hielt Jakob Bassermann in seiner Arbeit inne und schenkte ihnen zum ersten Mal seine volle, wenn auch von Argwohn bestimmte Aufmerksamkeit. »Was Sie nicht sagen! Mir scheint, Sie scheuen das Licht des Tages«, sagte er ihnen.
»So könnte man es nennen«, gab Sadik unumwunden zu. »Nicht dass wir auf der Flucht vor dem Arm des Gesetzes wären. Es sind mehr persönliche Gründe, warum es uns geraten scheint, einen weiten Bogen um die üblichen Fährstellen zu schlagen und nach einem Weg zu suchen, auf dem wir unbemerkt ans andere Ufer gelangen können. Es versteht sich von selbst, dass wir demjenigen, der uns dazu verhilft, seinen Gefallen großzügig entgelten werden.«
Der Fischer hob die struppigen Augenbrauen. »Was verstehen Sie unter großzügig?«
»Geld genug, dass Sie sich ein neues Netz zulegen können«, erklärte Sadik.
Der Fischer dachte nach. »Höfers Heinz schwört Stein und Bein drauf, dass einem nachts die dicksten Brocken ins Netz gehen. Habe nie viel davon gehalten, des Nachts im Trüben zu fischen. Doch vielleicht sollte ich diesmal eine Ausnahme machen«, sagte er mit einem verschmitzten Seitenblick auf Sadik.
»Wenn Ihnen der Sinn nach Goldmakrelen steht, ist die Stunde zwischen zwei und drei die beste Zeit für einen todsicheren Fang«, bestätigte Sadik.
»Also gut, ich tu’s! Doch die Hälfte jetzt, die andere Hälfte heute Nacht vor dem Übersetzen!«, verlangte er.
»Einverstanden.« Eine Goldmünze aus Tobias’ Lederbeutel wechselte den Besitzer.
Sie hatten Zeit genug, in den nächsten Ort
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