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Falkenhof 02 - Auf der Spur des Falken

Falkenhof 02 - Auf der Spur des Falken

Titel: Falkenhof 02 - Auf der Spur des Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schröder
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Werkstatt, und seine Bewunderung für den Löwen, den der berühmte Bildhauer gerade fertig gestellt hatte, kannte keine Grenzen. Und weil er sich beim besten Willen nicht erklären konnte, wie man solch ein Meisterwerk mit derlei primitiven Werkzeugen erschaffen konnte, wie sie der Bildhauer verwendete, fragte er ihn nach dem Geheimnis seiner Kunst, fest davon überzeugt, dass es ein solches einfach geben müsse. Darauf antwortete ihm der Meister, indem er auf einen rohen, unbehauenen Marmorblock wies: ›Ein Geheimnis gibt es nicht. Einen solchen Löwen zu schaffen ist überhaupt nicht schwierig. Ich schlag’ einfach alles weg, was nicht nach Löwe aussieht.‹«
    Tobias lächelte. »Eine hübsche Geschichte.«
    »Nein, eine lehrhafte«, korrigierte Sadik. »Sie sagt uns, dass man Großes nicht einfach über Nacht durch eine Art Zauberei erreicht, sondern dass es nur einen Weg gibt um ein meisterliches Ziel zu erreichen: harte, ausdauernde Arbeit.«
    »Das mag sein«, räumte Tobias ein. »Nur verstehe ich nicht ganz, was das mit meiner Angst auf dem Fluss zu tun hat.«
    »Angst ist nichts, dessen man sich schämen müsste, mein Junge«,
    erklärte Sadik. »Angst ist der Schutzschild unseres Instinktes. Und so wie Draufgängertum und Leichtsinn nicht mit Mut zu verwechseln sind, bedeutet Angst nicht gleichzeitig Feigheit. Wer in Momenten größter Lebensgefahr keine Angst hat, ist ein Dummkopf oder lebensmüde. Die Leistung auf dem Weg zu wahrem Mut besteht vielmehr darin, die Gefahren zu erkennen, sie einschätzen zu lernen und dann das Richtige im richtigen Moment zu tun. So wie physische Ausdauer weniger eine Frage der Muskel kräfte als der Willens kraft ist, sind auch Mut und Tapferkeit abhängig von einem anderen wichtigen Bestandteil – und der heißt Angst und seine bewusste Überwindung. Was das betrifft, mein Junge, können dein Onkel und dein Vater stolz auf dich sein.«
    Tobias war es, als würde ihm ein Stein von der Seele genommen, und mit einem Anflug von Verlegenheit antwortete er: »Na, ich weiß nicht recht …«
    »Es reicht auch, wenn ich es weiß«, meinte Sadik trocken. »Und nun lass uns schlafen. Die Heldentaten des vergangenen Tages nutzen am Morgen der neuen Gefahr leider so wenig wie dem Hungrigen die Knochen vom letzten fetten Braten.«
    Tobias lachte leise auf und drehte sich auf die Seite. Jetzt konnte er beruhigt einschlafen. Der Geruch von Erde, Moos und Unterholz, vermischt mit dem des Sattelleders unter seinem Kopf und dem nahen Pferd, umfing ihn und rief in ihm ein Gefühl des Friedens und der Geborgenheit hervor.
    »Und vergiss nie: Allah ist mit dem Schwachen, damit der Starke sich ein Beispiel nehme«, drang Sadiks Stimme noch an sein Ohr, doch nur wie ein Flüstern.
     

 
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    Im ersten grauen Licht des neuen Tages brachen sie auf. Tobias hatte Mühe auf die Beine zu kommen. Sein Körper schmerzte ihn jetzt mehr noch als in der Nacht. Er konnte kaum die Hände zur Faust ballen. Die Schürfwunden an den Innenflächen brannten. Als er sich in den Sattel zog, glaubte er im ersten Moment die Schenkel nicht weit genug spreizen zu können. Er war zwar ein geübter Reiter und auf Falkenhof regelmäßig ausgeritten, doch einen solchen Gewaltritt, wie er hinter ihnen lag, hatte er noch nie durchstehen müssen. Und der Ritt, der ihnen jetzt bevorstand, würde gleichfalls alles andere als ein gemütlicher Ausflug zu Pferde sein! Die Einsicht in die Notwendigkeit dieser Strapaze machte sie nicht weniger zermürbend.
    Sie redeten an diesem Tag kaum mehr als zwei Dutzend Sätze miteinander. Weder waren sie in der Stimmung für belangloses Geplauder, noch gab es Veranlassung, irgendetwas Wichtiges zu besprechen. Ihre Route Richtung Heidelberg war abgesprochen, und es bedurfte bei ihnen auch längst keiner Worte mehr um bei gefährlichen Situationen übereinstimmend zu handeln.
    Am frühen Mittag füllten sie in einer kleinen Ortschaft ihren Proviantsack wieder auf, gönnten sich und den Falben am Weiher eine verdiente Rast und tauschten sie dann im Nachbardorf mit einem kräftigen Aufgeld gegen zwei ausgeruhte Pferde ein. Dabei nahmen sie bereitwillig in Kauf, dass der Pferdehändler das mit Abstand bessere Geschäft machte. Er hatte an diesem Tag wahrhaftig Grund sich zu freuen – auch wenn er so tat, als hätte er zwei halblahme Gäule für ein halbes Vermögen in Zahlung genommen und zwei prächtige Vollblüter in einem Anfall von Spendierlaune

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