Falkenhof 03 - Im Banne des Falken
verbunden sind. Wer seine Handschrift nicht kennt, dem fällt das nicht auf. Doch mir ist es nicht entgangen.«
Tobias nickte zögernd. »Mhm, ja … stimmt, du hast Recht, Sadik. Bei dem Wort ›Gedicht‹ steht das G ein wenig für sich allein«, räumte er ein.
»Und bei ›entschlüsselt‹ ist es der Anfangsbuchstabe e!«, bemerkte Jana nun, was ihnen beim ersten flüchtigen Lesen überhaupt nicht aufgefallen war.
Sadik nickte grimmig. »Und genau aus diesen Buchstaben setzt sich Sihdi Burlingtons geheime Botschaft zusammen!«
Tobias und Jana lasen den Brief nun noch einmal, diesmal mit ganz anderen Augen, und er stellte sich ihnen im Schriftbild nun so dar:
Mein lieber Sadik!
G edichte mit versteckten Rätseln zu e ntschlüsseln entspricht eigentlich nicht meinen F ähigkeiten. A ber heute scheint mir Fortuna doch r echt gewogen zu sein ! Z erbrach mir den Kopf über den See der E itelkeiten – und p lötzlich, wie mit einem P aukenschlag, kam mir die E rkenntnis. Zumindest n ehme ich an, dass ich f ündig geworden bin. E s wird Sie bestimmt interessieren, was ein L ord Ihnen für eine D eutung anbieten kann. Bitte seien Sie doch so nett u nd kommen Sie mit dem Teppich u n d der Karte zu mir in den Pavillon, in d en ich mich von dem Trubel zurückgezogen habe. Und k ommen Sie o hne Jana und Tobias. Ich m öchte, dass es erst einmal unter uns bleibt! Es hat seine Gründe. Vertrauen Sie mir. Und vergessen Sie nicht Teppich und Karte! Ihr Rupert
Wie ein Blitzschlag traf Tobias die Offenbarung der geheimen Botschaft, und sogleich fuhr ihm der Schreck in die Glieder, als er die allein stehenden Buchstaben miteinander verband. Sie ergaben die Warnung: Gefahr! Zeppenfeld und kom!
»Gefahr! … Zeppenfeld und kom!«, stieß Jana fast gleichzeitig hervor. Stimme und Gesicht drückten ihre Bestürzung aus. »Mit ›kom‹ kann doch nur ›Komplizen‹ gemeint sein. Mein Gott, Zeppenfeld hat Rupert entführt und will dich mit dem Teppich in die Falle locken!«
»Zeppenfeld!« Tobias’ Stimme war ein Flüstern, in dem genauso viel Wut wie Fassungslosigkeit lag. »Er hat es also doch geschafft, sich mit seinen Handlangern auf Mulberry Hall einzuschleichen! Wie ist ihm das bloß gelungen? All die aufwendigen Sicherheitsmaßnahmen – für die Katz! Und jetzt hat er Rupert in seiner Gewalt!«
»Aiwa, und uns bleibt nicht mehr viel Zeit, um uns einen Plan zurechtzulegen, wie wir Sihdi Burlington aus ihrer Gewalt befreien können!«
»Wir riegeln das Gewächshaus rundherum hermetisch ab, sodass keine Maus mehr rauskommt, bewaffnen die Diener und die Männer vom Wachdienst, die auch mit einer Waffe umzugehen wissen, und schnappen uns dieses Gesindel!«, schlug Tobias vor. »Er wird schon aufgeben, wenn er einsehen muss, dass er nicht die geringste Chance hat, uns und damit der Gerichtsbarkeit zu entkommen. Im schlimmsten Fall schließen wir einen Handel und lassen sie laufen, wenn sie Rupert freilassen, ohne ihm ein Haar gekrümmt zu haben!«
Sadik schüttelte den Kopf. »Unmöglich! Da draußen feiern über dreihundert Gäste, die Bediensteten, Musiker und anderen Akteure gar nicht gerechnet, und viele von ihnen sind weit davon entfernt, nüchtern zu sein. Wenn bekannt wird, dass bewaffnete und zu allem entschlossene Schurken Sihdi Burlington als Geisel genommen haben, werden es die Leute mit der Angst zu tun bekommen. Ein wildes Durcheinander wäre die Folge, ja vielleicht sogar eine Panik. Das darf auf keinen Fall passieren! Zudem könnten Zeppenfeld und seine Komplizen, durch das Geschrei frühzeitig gewarnt, das allgemeine Durcheinander zu ihren Gunsten nutzen, um mit ihrer Geisel zu flüchten. Und dann wird es noch schwieriger, Sihdi Burlingtons Leben zu retten. Nein, wir haben eine Chance, wenn wir sie im Glauben lassen, wir wären ahnungslos. Allein dann können wir den Überraschungseffekt für uns nutzen und den Spieß umdrehen.«
Tobias nickte. »Du hast Recht. Zeppenfeld fühlt sich mit seinen
Männern im Pavillon bestimmt ganz sicher. Und er rechnet nur mit dir. Doch wir werden ihn in die Zange nehmen!«
»Zumindest müssen wir es versuchen«, erwiderte Sadik.
»Nur wir drei?«, fragte Jana, die ganz selbstverständlich davon ausging, dass sie an dieser Befreiungsaktion teilnehmen würde.
»Uns bleibt keine Zeit, auch nur irgendjemanden ins Vertrauen zu ziehen. Zeppenfeld wird nicht beunruhigt sein, dass ich auf mich warten lasse. Er weiß ja, was da draußen los ist und dass ich nicht sofort
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