Falkenjagd: Ein Fall für Robert Walcher (Ein Robert-Walcher-Krimi) (German Edition)
Unsere Gesetze sind eindeutig, härtere brauchen wir nicht. Die Frage ist eher, wendet unsere Justiz sie wirkungsvoll an? Solange ein Steuervergehen härter bestraft wird als der Missbrauch von Kindern, wird sich auch die abschreckende Wirkung in Grenzen halten, vermute ich.
Bevor wieder ein Pranger auf dem Marktplatz aufgestellt wird und wir uns damit direkt auf den Weg ins Mittelalter begeben, setze ich auf Therapie, Aufklärung und die konsequente Verfolgung und Verurteilung pädophiler Täter im Rahmen unserer Gesetze.
Mit freundlichen Grüßen, R. Walcher. cc Rolf Inning
Inzwischen duftete es verlockend aus der Küche, und Walcher konnte sich nicht zurückhalten, hinunterzuschleichen, um einen Blick in Irmis Töpfe zu wagen.
»Das bleibt eine Überraschung«, verweigerte sie ihm allerdings den Zugang. Und Hilfe brauchte sie auch nicht. Da kehrte Walcher wieder in sein Arbeitszimmer zurück. Nicht einmal Rolli begleitete ihn wie sonst wenigstens bis an die Treppe. Dieser Verräter hoffte sehnsüchtig auf Leckerbissen, denn es gab auch ein Fleischgericht, was ihm seine feine Nase wohl längst verraten hatte.
Quasi zwangskaserniert, heftete Walcher Belege für die Quartalsabrechnung ab. Dann schrieb er Johannes eine Mail und meldete sich damit auch bei ihm wieder aus dem Urlaub zurück.
Eine andere Mail sandte er an den italienischen Händler und fragte an, ob er Ware anzubieten hätte. In der Woche vom 20. bis 25. August würde es ihm sehr passen, da müsse er in Deutschland einen Kunden beliefern, schrieb er und schickte die Mail als Signore Hoffmann wieder über die italienische Mailadresse ab. Er musste seine Recherchen wieder ankurbeln. Noch nie hatte er während eines Auftrags Urlaub gemacht, und so kamen ihm die Tage in Italien wie eine unerlaubte Zeit des Müßiggangs vor.
Der Duft aus der Küche weckte seinen Hunger, es war kurz nach zwölf Uhr und Zeit fürs Mittagessen. Die Nachwuchsköchin ließ sich bei ihrer Arbeit lautstark von Adriano Celentano begleiten. Nach wie vor gab es für Rolli heute Wichtigeres, er war nur kurz aus der Küche getrippelt gekommen, hatte vor der Treppe zu ihm hinaufgeschaut, mit dem Schwanz gewedelt und war wieder zurückgehetzt. Nach derart geballtem Desinteresse konnte er sich ebenso gut einen Mittagsschlaf gönnen, entschied Walcher. Trotz verlockender Gerüche war er wenige Minuten später eingeschlafen.
Lista delle vivande stand in großen Buchstaben als Überschrift auf der Menükarte. Etwas kleiner folgten darunter
Antipasto: Frittata di carciofi
Secondo: Vitello all’uccelletto
Contorni: Scorzonera fritta, Risotto Formaggio
Dolce: Panna cotta, Vini della casa
Gemeinsam mit den Großeltern bewunderte Walcher die Karte, die an der Haustür hing.
Oma Brettschneider, die seit Jahren Italienischkurse an der Volkshochschule besuchte, übersetzte die Speisenfolge unter den Ahs und Ohs ihres Mannes, der Armbrusters und Walchers. Dann ging es ums Haus herum auf die Terrasse, denn der Weg durch die Küche war ihnen versperrt. Dort erst begrüßte sie Irmi, die gerade die Kerzen auf der kunstvoll gedeckten Tafel anzündete, in die sie den großen Terrassentisch verwandelt hatte.
Alles schien eingesetzt, was im Haus an Damast, Geschirr, Gläsern, Besteck und Leuchtern zu finden gewesen war. Zwischen den Gedecken zierten Blüten, Blätter und Früchte die Tafel, insgesamt ein absolut überzeugendes Gesamtkunstwerk.
Die Omas und Opas waren denn auch zu Tränen gerührt, erst recht, als Walcher darauf hinwies, dass er lediglich den Wein aus dem Keller holen würde und ansonsten alles Irmis Werk sei.
Eine Stunde später war alles vorbei und Irmi völlig fertig, aber glücklich und stolz. Bei jedem Gang hatten sich alle mit Lobesreden auf ihre Kochkünste übertroffen und zwar nicht nur, weil Großeltern und Ziehväter bei solchen Gelegenheiten selten Kritik übten, sondern weil Irmis Gerichte wirklich vorzüglich schmeckten. Aber auch der Arbeitsaufwand und die dafür notwendige Küchenlogistik wurden gewürdigt, umso mehr, als die Omas beim Abräumen halfen und die Küche in einem sehr passablen Zustand vorfanden. Während des Essens und Lobens erzählten sie von Italien, nicht nur Irmi und Walcher, auch die Großeltern erinnerten sich an ihre Italienfahrten, die sie allerdings selten über Südtirol hinaus geführt hatten – mit Ausnahme der Busfahrt mit dem Landfrauenbund zum Papst, an der Oma Brettschneider als Dreißigjährige teilgenommen hatte und seit der
Weitere Kostenlose Bücher