Falkenjagd: Ein Fall für Robert Walcher (Ein Robert-Walcher-Krimi) (German Edition)
sein wollte, anstatt nur über den Funkverkehr daran teilzuhaben. Aber auch Walcher ging es nicht viel besser, allerdings nicht aus verhindertem Aktionismus, sondern weil er sich über den Sinn seiner Anwesenheit in einem nach Schweiß und kaltem Rauch stinkenden, engen, mit Technik vollgestopften Kleinbus Gedanken machte und dabei einem nicht gerade aufschlussreichen Funkverkehr zuhörte. Alpha eins – erste Wohnung, erster Stock, sauber – öffnen die zweite … und so weiter.
Wie ein Reporter fühlte er sich, fehlten nur noch das Tonband und die Kamera, mit denen er gleich den Tätern, Opfern, Nachbarn, Polizisten, Politikern und dem einfachen Mann oder Frau auf der Straße Fragen stellte, die niemand beantworten konnte und die auch niemanden wirklich interessierten, aber ungemein wichtig klangen.
Als sie das Haus betraten, kam die Meldung durch die Kopfhörer, dass in einer Tiefkühltruhe im Keller die Leiche eines entstellten Mannes entdeckt worden sei. Die beiden »Kollegen« aus dem Allgäu, so waren sie den Polizeibeamten vorgestellt worden, sahen sich kurz das Narbengesicht des Toten an. Als die Kriminaltechniker die Truhe kippten, um das gesamte Gefriergut einfach auszuleeren, zog der Einsatzleiter die beiden Allgäuer aus dem Keller und führte sie durch die Stockwerke, in denen inzwischen ein Tross von Kriminaltechnikern arbeitete.
Auf dem Tisch in einem der Flure lag eine beachtliche Sammlung von Medikamenten, Drogen, Geld, Waffen, Munition, unversteuerten Zigaretten, Schmuckstücken, Alkohol und Kaviar, Pässen und Ausweispapieren. Ein Beamter der Hundestaffel führte seinen Schäferhund durchs Haus auf der Suche nach weitere Drogen und versteckten Menschen.
Der Einsatzleiter zeigte sich hochzufrieden, keiner der Polizisten war verletzt, und in Berlin würde es ein illegales Bordell weniger geben, in dem vermutlich keine der Frauen und Mädchen freiwillig ihre Liebesdienste angeboten hatte. Dabei bezeichnete der Einsatzleiter die Anwesenheit der Jugendlichen und Kinder als besonders erschreckend. Nach einem Blick auf die Uhr drängte er zum Aufbruch, denn in etwa einer halben Stunde sollte die gleiche Aktion noch einmal in einem Wohnblock in der Richard-Sorge-Straße, im Zentrum, stattfinden.
Dort besaß die IMMODARG drei Wohnungen im dritten Stock, in denen ebenfalls ein illegales Bordell betrieben wurde, jedenfalls gingen die observierenden Beamten mit hoher Wahrscheinlichkeit davon aus.
Auch diese Razzia schien perfekt vorbereitet zu sein. Kaum war die Einsatzleitung eingetroffen, ging es los. Mit einem Möbelwagen als Möbelpacker getarnt, fuhr der Einsatztrupp vor und besetzte das observierte Stockwerk, als handle es sich um eine völlig normale Angelegenheit. Die Beamten brachen zeitgleich die drei Wohnungstüren auf. Zwei von den Bewachern der Frauen saßen in der Küche, sie spielten gerade Karten und tranken Schnaps. Sie glotzten die bewaffneten Möbelpacker nur groß an und kamen nicht auf die Idee, nach ihren eigenen Pistolen zu greifen. Auch der dritte Aufpasser, ein junger, extrem fettleibiger Mann, wehrte sich nicht gegen seine Festnahme. Er saß mit heruntergelassenen Hosen auf der Bettkante in einem der Zimmer und hielt ein nacktes Mädchen auf seinem Schoß. Ein Polizist legte dem Dicken Handschellen an und nahm das Mädchen in seine Obhut. Sein Kollege forderte den Halbnackten mit einer Handbewegung auf, sich hinzustellen. Vielleicht mochte der Dicke das auch vorgehabt haben, aber er beugte sich dabei vor und versuchte in die Hosentasche zu greifen.
Mit einer blitzschnellen Bewegung wie ein Karatekämpfer knallte der Polizist seinen Stiefel an die Schläfe des Dicken, der in sich zusammensank und langsam von der Bettkante auf den Fußboden rutschte.
Es dauerte keine zehn Minuten, bis Brunner und Walcher ins Haus durften. Auf dem zweiten Treppenabsatz kamen ihnen bereits die von Polizistinnen geführten befreiten Frauen und Mädchen entgegen. Eine von ihnen blieb stehen, starrte Walcher an, klatschte in die Hände und stieß einen gellenden Freudenschrei aus. Walcher erkannte sie sofort wieder, obwohl sie damals in Zürich eine andere Frisur getragen und noch nicht diese üblen Verletzungen im Gesicht gehabt hatte: Jeswita Drugajew.
Jeswita fiel ihm um den Hals und fing hemmungslos an zu weinen. Walcher blieb keine Zeit, über Zufälle im Leben zu reflektieren, denn eine Polizistin zupfte ihn am Ärmel.
»Ich besuche Sie später, Sie sind in Sicherheit«, sagte er noch zu
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