Falkenjagd: Ein Fall für Robert Walcher (Ein Robert-Walcher-Krimi) (German Edition)
Anweisungen für derartige Razzien: Wer auf uns schießt, wird ausgeschaltet. Nach dem kurzen Feuergefecht ließen sich drei weitere Männer, sogar mit Maschinenpistolen bewaffnet, ohne Gegenwehr festnehmen.
Zwei der Stockwerke belegte das Wellness-Unternehmen. Davon diente eine Etage als Wohnung, die allerdings mehr an ein Obdachlosenasyl erinnerte. Im Stockwerk darüber befand sich die dazugehörige Pension. In den Wohnungen der restlichen zwei Stockwerke schienen Wanderarbeiter zu hausen. Sie waren alle leer, bis auf einen Mann, der offensichtlich krank in einem der Stockbetten lag und sich unter Decken versteckte.
Trotz der Mittagsstunde herrschte in der Wellness-Wohnung reger Verkehr.
Die Polizisten nahmen acht Frauen in ihre Obhut, die zusammen mit den Frauen aus den Schlafräumen in die Klinik gebracht wurden, um sie dort medizinisch zu versorgen, zu untersuchen und danach erkennungsdienstlich zu behandeln. Unter den Frauen befanden sich vier Mädchen, höchstens sechzehn Jahre alt, und drei noch jüngere Kinder. Sechs Männer, offensichtliche Wellness-Kunden, durften sich anziehen und wurden zur Aufnahme ihrer Personalien in die Zentrale transportiert. Zwei der Männer mussten mit einer Anzeige wegen Missbrauchs von Minderjährigen rechnen. Die anderen, bei volljährigen Frauen angetroffenen Männer, würden nach Aufnahme ihrer Personalien entlassen, denn der Besuch eines Bordells, auch eines illegalen, stellt kein strafrechtlich relevantes Vergehen dar. In einem der Zimmer stießen zwei Polizisten auf eine besonders makabre Szene. Mit Ketten an Hand-und Fußgelenken an die Bettpfosten gefesselt, lag ein Mann nackt bäuchlings auf dem Gitterbett, das in der Mitte des Zimmers stand. Der Kopf des Mannes steckte in einem schwarzen Stoffbeutel. Auf seinem Rücken saß ein ebenfalls nackter Junge, vielleicht neun Jahre alt, und schlug dem Mann mit einer Reitgerte aufs Gesäß.
Der Junge ließ sich auch nicht durch die hereinstürmenden Polizisten unterbrechen, sondern schlug im gleichmäßigen Takt weiter und weiter, den Blick starr in die Ferne gerichtet.
Die Polizisten blieben fassungslos in der Tür stehen. Einer der beiden reichte dem Kollegen seine Maschinenpistole, zog eine Digitalkamera aus der Tasche und fotografierte die groteske Szene. Dann nahm er dem Jungen die Gerte aus der Hand und ließ sie einige Male auf den Mann herabsausen. Beim ersten Hieb stöhnte der Nackte noch, beim zweiten und dritten brüllte er: »Nich so feste, du Mistkerl, ich brech dir gleich alle Knochen!«
Der Polizist warf die Gerte in die Zimmerecke und bedeutete dem Jungen, vom Rücken des Mannes herunterzusteigen und sich anzuziehen.
»Polizei, Ausweiskontrolle!«, rief er dem Mann ins Ohr, als er ihm den Stoffbeutel vom Kopf zog und dann weitere Fotos von ihm machte. Erst als er die Bilder kontrolliert hatte, löste er die Fesseln und verlangte den Ausweis des Mannes. Nackte Menschen verhielten sich in derartigen Situationen meist eher beschämt, nicht so dieser Mann. Er beschimpfte die Polizisten, reklamierte seine Bürgerrechte und weigerte sich, die Ausweispapiere aus seinem Kleiderbündel zu holen. Deshalb bediente sich der Polizist selbst, fand aber nur Visitenkarten in der Brieftasche des Mannes, die ihn als emeritierten Professor der Philologie auswiesen. Nachdem sie ihn auf seine Rechte hingewiesen hatten, legten sie ihm Handschellen an und verhafteten ihn mit dem Hinweis, dass sie ihn wegen Unzucht an Minderjährigen anzeigen würden. Dann reichten sie dem nackten Mann seine Kleidungsstücke und forderten ihn auf, sich anzuziehen, da sie ihn sonst auch noch wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses anzeigen müssten. Der Professor schien seine Situation nicht zu umreißen.
»Ich protestiere in aller Schärfe gegen diese unwürdige Behandlung«, brüllte er und drohte: »Das wird für Sie ein Nachspiel haben!«
Währenddessen saß der Junge auf dem Bett und stierte teilnahmslos vor sich hin, als stünde er unter Drogen. Gegen seinen lauten Protest wurde der Professor abgeführt. Danach drängten zwei Sanitäter in den Raum und kümmerten sich um den Jungen. Dann wurde es ruhig in dem Haus in der Merdowstraße.
Brunner und Walcher, die die Aktion nur im Wagen der Einsatzzentrale miterleben durften, erhielten grünes Licht für einen Rundgang. Das war auch höchste Zeit, denn Brunner war in dem engen Wagen zunehmend unruhig geworden. Walcher vermutete, dass Brunners Polizistenseele bei dem Einsatz aktiv dabei
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