Falkenjagd: Ein Fall für Robert Walcher (Ein Robert-Walcher-Krimi) (German Edition)
Jeswita Drugajew, bevor die Beamtin sie bei den Schultern nahm und sie freundlich, aber bestimmt zu den anderen Frauen schob. Brunner stellte süffisant fest: »Also wo Sie überall Bekanntschaften haben!«, und wurde von Walcher aufgeklärt.
Oben in der mittleren Wohnung trafen sie auf die zweite Gruppe Frauen und Mädchen, denen zwei Dolmetscher die Situation erklärten. Aus den Gesichtern und Augen waren ängstliche Anspannung und gleichzeitig Erleichterung ablesbar. Dann wurde auch diese Gruppe von Polizistinnen nach unten geführt. Die männlichen Kollegen waren zuständig für die Wächter des Etablissements, die sich jedoch widerstandslos hinunter in den Transporter bringen ließen.
Als letzte Gruppe wurden fünf Kunden abgeführt, die nicht nur wie führende Geschäftsleute gekleidet waren, sondern sich auch so aufführten. Von drohenden Klagen über gigantische Summen an Haftungsschäden für entgangene Geschäfte bis hin zu Freiheitsberaubung mussten die Polizisten sich einiges anhören, obwohl den Gentlemen gesagt worden war, dass sie nach erkennungsdienstlicher Aufnahme ihrer Person freigelassen würden, es sei denn, es würden sich Verdachtsmomente ergeben, dass sie etwas mit diesem Menschenhändlerring und den Betreibern des illegalen Bordells zu tun hätten.
Erst als der Einsatzleiter sich einmischte und ihnen zu verstehen gab, dass sie vermutlich wegen sexuellen Missbrauchs Minderjähriger oder Vergewaltigung angezeigt würden, gaben sie Ruhe. Der Einsatzleiter nickte, wandte sich Brunner und Walcher zu und meinte: »Schnell mal in der Mittagspause auf Betriebskosten Mädchen ficken, das verbindet und erleichtert so manches Geschäft. Jeder von denen weiß genau, dass es sich hier um Zwangsprostitution handelt, jeder! Aber uns als Bullen zu beschimpfen, die nur neidisch sind, weil sie nicht auch mal … und so weiter. Die werden sich noch wundern.« Dabei lächelte er Walcher müde an und reichte ihm die Hand. »Habe ich mich eigentlich schon vorgestellt …?«
»Vorhin im Einsatzwagen«, nickte Walcher.
»Oberkommissar Moosmann«, fügte Brunner an, »ich bin …«
Moosmann nickte: »Danke, ich weiß, Herr Kollege Brunner und der Journalist Herr Walcher. Kommen Sie«, lud Moosmann sie zu einem Rundgang ein. »Eigentlich eine schöne Stadtwohnung, drei Wohnungen zu einer zusammengelegt, wenn man da etwas reinsteckt. Nach hinten ruhige Lage, hier kümmert sich niemand um den anderen. Trotzdem sind diese Leute ständig auf der Wanderschaft. Wenn sich herumgesprochen hat, dass es hier ein Bordell gibt, ziehen die um und vermieten an jemand anderen.«
In einem Raum, der wohl einmal eine Küche gewesen und nun als Aufenthaltsraum genutzt worden war, deutete Moosmann auf den offenen Schrank. »Von den Drogen da könnte man sich ein hübsches Häuschen auf dem Land kaufen.« Moosmann drehte sich um und ging voraus in eines der nächsten Zimmer. Parkettboden, Schrank, Bett, Sessel, Tischchen, gerahmtes Pornoposter an der Wand, alles einfach, aber sauber. »Eines der besseren Zimmer«, deutete Moosmann in die Runde. »Wenn sie brav mitspielen, bekommen die armen Dinger ein paar Euro in der Woche zugesteckt, die schicken sie dann meist ihren Eltern nach Hause. Dort, wo die meisten herkommen, sind zehn Euro viel Geld. Wenn sie nicht mitspielen, werden sie verprügelt oder unter Drogen gesetzt. Wir wissen nicht, was die mit den Frauen machen, wenn sie zu einem Wrack geworden sind, und das sind sie nach spätestens einem Jahr. Wir stoßen hier immer nur auf junge Frauen und zunehmend auf Jugendliche und Kinder.«
Moosmanns Stimme klang emotionslos, sachlich und wirkte dabei ebenso irreal wie das, was er beschrieb. »Diese Frauen und Mädchen werden gehalten wie Sklaven. Ich frage mich nach einem solchen Tag immer, in welchem Jahrhundert ich lebe und was das für Menschen sind, die keinerlei Gewissensbisse plagen.«
Im nächsten Zimmer zog Walcher unter der Decke auf dem Bett einen kleinen Teddy hervor. Er dachte an Aischa und Lavra und an die beiden Bären, die Irmis Großeltern ihnen zum Abschied geschenkt hatten. »Seien Sie doch bitte so gut und finden Sie das Kind, dem dieser Teddybär gehört«, drückte er Moosmann den Stoffbären in die Hand.
Der nahm ihn vorsichtig, als wäre der Teddy zerbrechlich, und nickte. »Meine Tochter hatte auch so einen.«
Obwohl auch dieser zweite Zugriff ohne Probleme abgelaufen war, wollte in der anschließenden Besprechung im LKA keine Freude aufkommen. Zwar hatten
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