Falkenjagd: Ein Fall für Robert Walcher (Ein Robert-Walcher-Krimi) (German Edition)
Kinder! Gekauft, verschleppt, versklavt, wir leben doch nicht etwa im Mittelalter?« Brunner trank in einem Zug das Glas leer. »600 junge Menschen, deren Leben versaut wurde. Und was mich schier zerreißt, es gibt noch Tausende andere. Und selbst wenn wir alle aus diesem Dreck herausholen könnten, spätestens in einem halben Jahr ist Nachschub da und alles wieder beim Alten. Da komme ich mir vor wie einer von der Feuerwehr, dem sie eine Wasserpistole in die Hand drücken und zum Waldbrand schicken.«
»Solange es Männer gibt«, warf Walcher ein, »die …«
Brunner unterbrach ihn. »Ja ja ja, das brauchen wir nicht schon wieder durchzukauen. Es hat sich ja auch schon einiges getan, nur dauert das alles so verdammt lange.«
Walcher nickte: »Ja, das stimmt.«
Brunner musterte ihn misstrauisch, sagte aber nichts, sondern schenkte beide Gläser voll und zog dann Rolli, dessen Schnauze auf Brunners Oberschenkel lag, abwechselnd an den Ohren.
»Was halten Sie denn von einem Pranger im Internet?«, wollte Walcher wissen und erklärte, als er Brunners fragenden Blick sah, für wen der Pranger gedacht war.
»Mittelalter, fällt mir dazu wieder ein, aber vielleicht sind wir da ja noch mitten drin.« Brunner stieß einen tiefen Seufzer aus. »Die Amis machen das ja seit einiger Zeit in einigen Städten. Wir sollten das beobachten. Ich fürchte allerdings, dass damit eine neue Ära des Sextourismus angekurbelt wird. Pranger, irgendwie passt das einfach nicht mehr in unsere Zeit, aber Missbrauch von Frauen und Kindern passt ja auch nicht hinein … Ach, ich weiß nicht. Warum fragen Sie?«
Walcher erzählte von Auenheims Plänen. Brunner hörte aufmerksam zu und streichelte dabei Rollis Fell. Als Walcher geendet hatte, meinte der Kommissar: »Strafen ist eine Sache, aber dafür haben wir genügend Gesetze, denke ich. Ich glaube, wir müssen früher anfangen. In der Erziehung der kommenden Generationen zum Beispiel. Werte, Tabus, da müsste einiges neu justiert werden.«
»Sehen Sie da Ansätze?«, fasste Walcher nach. Brunner schüttelte den Kopf: »Im Gegenteil, ich sehe nur, dass wir spaßorientierte Konsumenten heranziehen. Aber mir ist das alles zu philosophisch, und vor allem dauert es mir zu lange, bis sich Denkweisen verändern. Da sind mir Gesetze lieber. Ein Täter wird von der Polizei festgenommen, von der Justiz verurteilt und wandert ins Gefängnis. So einfach ist meine Welt. So wie jetzt 232 Männer festgenommen wurden und verurteilt werden, hoffe ich jedenfalls.«
»Und die Köpfe der Organisation, die Hintermänner, die Kunden, die erzwungenen Sex einkauften, noch dazu mit Minderjährigen, was geschieht mit denen?«, warf Walcher ein.
Brunner zuckte mit den Schultern: »Auch die werden wir noch erwischen, vielleicht. Die Vernehmungen haben erst begonnen. An die Köpfe kommen wir meist ohnehin nicht heran, und in diesen Fall sitzen die vermutlich auch noch irgendwo in Russland.«
»Wird wohl so sein«, nickte Walcher und dachte, dass es kein guter Zeitpunkt wäre, von Hintereggers E-Mail zu berichten. Der hatte vor zwei Tagen geschrieben, dass der vermutliche Mann an der Spitze der IMMODARG , Ilija Dargilew, bei einem Unfall ums Leben gekommen war. Die Information kam von einem Immobilienmakler, der mit Hintereggers Company zusammenarbeitete. Auf der Krim war die Villa Dargilews samt ihm und seiner Frau in die Luft geflogen. Da war dann wohl die Freundschaft mit dem russischen Präsidenten, die sich laut Hinteregger bestätigt hatte, auch keine echte Lebensversicherung.
Walcher stand auf, um die Gläser nachzufüllen, denn mit einer Magnum ging das nicht so ohne weiteres einhändig, aber Brunner winkte ab. »Das Zeug treibt mich zu sehr auf, haben Sie vielleicht einen Williams oder so was, zum Abschluss?«
»Ist sowieso fast leer«, stellte Walcher fest, stellte die Flasche ab und machte zwei Schritte zur Küchenmitte, wo er sich langsam bückte und umständlich den Teppich zur Seite zog.
»Ich merke den Sekt«, stöhnte er mehr zu sich als zu Brunner und zog die Bodenklappe zum Vorratskeller auf. Er nahm eine Glaskaraffe aus dem Küchenschrank und wollte hinuntersteigen, als Brunner bat: »Darf ich mitkommen?«
»Kommen Sie, aber passen Sie auf Ihren Kopf auf«, lud Walcher ihn ein und nahm sich noch zwei kleine Probiergläser aus dem Schrank. Im Gewölbe füllte Walcher aus dem Fässchen Calvados die Karaffe auf, während Brunner voller Bewunderung stöhnte: »Mannomann, ist ja wie im Paradies!
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