Falkenjagd: Ein Fall für Robert Walcher (Ein Robert-Walcher-Krimi) (German Edition)
Hein abwesend Rolli, der sich seine Streicheleinheiten abholte und dabei neugierig der Rauchfahne hinterherschnupperte, die dieses ohnehin außerordentlich interessant duftende Frauchen ausstieß. »Ein Bereichsleiter steuert bis zu drei Städte, je nachdem, wie groß sie sind. Die Bereichsleiter unterstehen den Chefs der Bundesländer, und darüber steht der Landesleiter, in diesem Fall ein widerlicher Sadist, der sie als seine persönliche Sklavin hielt.« Dr. Hein trat die halb gerauchte Zigarette aus, was den Hund geradezu in Verzückung versetzte, vermutete er doch ein neues, aufregendes Spielchen. Walcher deutete auf den Boden neben sich, zischte »Platz« und war selbst erstaunt, dass Rolli gehorchte, als sei dies die selbstverständlichste Sache der Welt.
»Kurz zusammengefasst, hier« – Dr. Hein wedelte mit der Sichthülle triumphierend durch die Luft – »sind die Kopien der Listen, in denen alle illegalen Bordelle aufgeführt sind, mit Adressen, Telefonnummern, Namen der Geschäftsführer, Bereichsleiter, Landesfürsten und was weiß ich sonst noch alles. Und weil diese Frau so clever war, das Original wieder an seinen Platz zurückzulegen, nämlich auf den Schreibtisch des Deutschlandchefs, bevor sie die Chance zur Flucht nutzte, wird niemand vermuten, dass dies hier im Besitz der Polizei ist«, hielt sie Brunner die Sichthülle hin, der sie nahm, als würde ihm eine Speisekarte weitergereicht. Als einige Sekunden ohne eine Reaktion verstrichen waren, stieß Dr. Hein ihn mit dem Ellenbogen an und meinte laut vernehmlich: »Also irgendwie habe ich mir die Übergabe dieses wohl einmaligen Organigramms einer deutschlandweit operierenden illegalen Bordellkette, hinter der vermutlich auch noch ein europaweit agierendes Menschenhändlernetz steht und was weiß ich sonst noch alles, anders vorgestellt. In München würden jetzt die Sirenen heulen, aber hier ticken die Uhren vielleicht wirklich etwas langsamer.«
Aber Brunner nahm es nicht persönlich. »Wie glaubwürdig schätzen Sie die Quelle ein?«, wollte er wissen, während er die erste Seite überflog.
»Ich glaube der Frau.« Frau Dr. Hein stand auf und zündete sich eine Zigarette an, während sie weitersprach. »Es ergibt keinen Sinn für eine solche Organisation, mir … uns … Ihnen … also der Polizei, über diese Frau eine Liste mit Phantasieadressen und gefälschten Namen zukommen zu lassen, oder? Was hätten sie denn davon?«
»Uns ablenken, irreführen, Konkurrenten aus dem Verkehr ziehen, was weiß ich«, Brunner war anzusehen, wie es in ihm arbeitete. Auch er war aufgestanden und wanderte im Zickzack auf und ab.
»Wo ist die Frau?«, blieb er vor Dr. Hein stehen.
»Ich habe sie an einen Platz gebracht, den ich nicht mal meiner Mutter verraten würde und den auch niemand bei uns kennt. Wir übernehmen … für solche … besonderen Fälle … eine Art persönliche Verantwortung, Patenschaft, oder wie Sie es nennen wollen … Ich kann …« Dr. Hein brach ab, weil Brunner ihr nicht mehr zuhörte. Das Handy am Ohr, die Liste in der anderen Hand, war er mitten in seiner Wanderung stehen geblieben und schien in eine andere Welt entrückt, von der Dr. Hein, Walcher und Rolli nur noch Bruchstücke verstanden, wie: » BKA – Telefonkonferenz – LKA – Hubschrauber – verdammt noch mal – Stuttgart – allerhöchste Priorität – Minister – dann weck den Arsch – halbe Stunde.« Brunner hielt plötzlich inne, steckte das Handy in die Hosentasche und rollte dann mit beiden Händen die Sichthülle zusammen. Wie einen Taktstock fuhr er damit durch die Allgäuer Luft auf Dr. Hein zu und flüsterte: »Entweder ist das ein Jahrhundertcoup, oder ich muss ihn bitten«, dabei deutete er auf Walcher, »mich als Gärtner anzustellen.«
Rolli sprang hoch, um nach der zusammengerollten Sichthülle zu schnappen, aber Walchers Pfiff hielt ihn zurück, außerdem hatte sich Brunner längst abgewandt und telefonierte wieder.
Frau Dr. Hein drückte auch ihre zweite Zigarette halb geraucht in den Hofkies, zuckte mit den Schultern und meinte, dass nun alles gesagt sei und sie weiterfahren würde. »Zur Not haben Sie ja meine Handynummer, aber bitte wirklich nur im Notfall.«
Walcher wünschte ihr erholsame Tage, dankte für ihren Kurzbesuch, für ihr Vertrauen, für Listen und Information, obwohl genau genommen Brunner der Empfänger war.
»Nicht der Rede wert«, wehrte sie ab, umarmte ihn flüchtig, tätschelte Rolli mit einem: »Pass gut auf dein
Weitere Kostenlose Bücher