Falkenjagd: Ein Fall für Robert Walcher (Ein Robert-Walcher-Krimi) (German Edition)
richtigliegen.
Sehr geehrter Herr Walcher, herzlichen Dank für Ihre Mail, über die ich mir lange Gedanken gemacht habe, vor allem was Ihre Bedenken gegen meine Pranger-Seiten betrifft. Sie können allerdings versichert sein, dass ich in einem langen Prozess, auch zusammen mit Juristen, Pro und Kontra dieser Vorgehensweise diskutiert habe. Letztlich bin ich zu dem Schluss gelangt, dass es in jedem Fall einen Versuch wert ist, der außer den Tätern selbst niemandem schaden wird. Wer wissentlich illegal betriebene Bordelle aufsucht, wer Kinder nachweislich sexuell missbraucht, der kommt an den Pranger. Vielleicht liegt eben in dieser archaischen Vorgehensweise ein Abschreckungsmoment, das weit über die Angst vor Gesetzen hinausgeht. Gesellschaftliche Ächtung trifft härter, als anonym für zwei Jahre auf Bewährung verurteilt zu werden, da die meisten dieser Verhandlungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden.
Ich werde also auch weiterhin an meiner Idee festhalten und möchte Sie daher nochmals eindringlich bitten, mir alle Informationen über den Zugriff in Burgund zukommen zu lassen. Von besonderem Interesse für die InternetSeite sind in diesem Zusammenhang etwaige Namenslisten, wobei ich Ihnen nochmals ausdrücklich versichere, dass ich Namen erst dann ins Netz stellen werde, wenn eine Person zweifelsfrei als Täter überführt wurde.
Gespannt auf Ihre Recherchen, verbleibe ich mit freundlichen Grüßen Günther Auenheim.
Nein, mein lieber Herr Auenheim, dachte Walcher, ich werde Sie bei Ihrer Prangerseite nicht unterstützen. Öffentlicher Druck auf Exekutive und Judikative zur Verfolgung und Ausschöpfung aller bestehenden gesetzlichen Möglichkeiten: ja. Ja auch zu mehr Prävention, Aufklärung, Information, aber zurück ins Mittelalter, Pranger, Schandpfahl, Steinigung? Was ist der nächste Schritt? Die Aufforderung zur Selbstjustiz, die Überlassung niederer Gerichtsbarkeit dem Polizisten, Bürgermeister oder gar dem Postbeamten? Mit diesem Gedanken schaltete er den PC aus, trank artig seinen Tee und legte sich schlafen. Im Bett las er noch über die Pflege von Apfelbäumen und malte sich dann im Halbschlaf aus, seinen ersten Obstler zu brennen, im Eichenfass reifen zu lassen und mit Allgäu-Calvados ein neues Standbein aufzubauen. Adieu Zeitungsverleger, adieu Schreibsklaverei, adieu Jagd nach Schlagzeilen … Dann war er eingeschlafen und merkte nicht mehr, wie Rolli ins Zimmer geschlichen kam und mit einem zufriedenen Seufzer neben dem Bett auf den Boden plumpste.
Am nächsten Tag pünktlich um neun Uhr fuhr Dr. Hein auf den Hof. Sie strahlte vor Urlaubslaune, unterstützt von einem luftigen Sommerkleid.
Noch bei der Begrüßung bestand sie darauf, Walchers Brandnarben zu sehen. Er hatte das befürchtet, zierte sich aber nicht lange, sondern fügte sich ins Unvermeidliche und zog sein Hemd über die Schultern. Im selben Moment fuhr Brunner auf den Hof.
»Störe ich?«, brüllte Brunner schon vom Auto aus und schien es witzig zu finden, denn als er ausgestiegen war, setzte er noch einen drauf und grüßte mit einem lässigen: »Hi Grillfans.«
Frau Dr. Hein sah sich die Narben an, berührte sie kurz, zog dann das Hemd herunter und sagte laut und deutlich, damit auch Brunner es hörte: »Für mich sind Sie mein Held.«
Dann setzte sie sich auf die Bank neben der Haustür und wedelte mit einer Sichthülle, in der einige Blätter steckten.
»Meine Herren, hier habe ich etwas ganz Besonderes und vor allem ganz besonders Eiliges.«
Brunner und Walcher setzten sich links und rechts neben sie, während sie bereits erzählte. »Vorgestern Abend – ich wollte gerade mein Büro verlassen – stand eine Frau vor der Tür und bat mich um ein Gespräch und um Hilfe. Sie sei durch die Hölle gegangen, berichtete sie. Eine bildschöne Frau übrigens, was ihre Geschichte glaubwürdig macht. Sie wurde nämlich von dem sogenannten Landesleiter abgezogen, also aus dem normalen Bordelldienst genommen, und war seitdem ausschließlich bei ihm.« Dr. Hein sprang hektisch auf, lief zu ihrem Wagen und holte sich Zigaretten und Feuerzeug. »Bin wieder mal rückfällig geworden«, erklärte sie, »ich vertrage einfach keinen Stress mehr. Also, diese Frau beschrieb ihr Leben und nebenbei die Organisation, von der sie in den Westen gelockt und in die Prostitution gezwungen worden war, aber davon später. Sie interessiert ja wohl erst einmal die Organisation. Ja, du bist ein feines Kerlchen«, tätschelte Dr.
Weitere Kostenlose Bücher